Wo sich Ende und Anfang treffen
Der Verein „Sonay soziales Leben“ startet Modellprojekt „Generationen-WG Berlin“
Anfang Oktober hat der junge Berliner Verein „Sonay soziales Leben“ mit der „Generationen-WG Berlin“ sein drittes großes Projekt gestartet. Es fördert das Zusammenleben von jungen Menschen ab 18 Jahren und Personen ab 60 in Berlin.
Ziel ist es, dem Wohnungsmangel zu begegnen, einen generationsübergreifenden Austausch zu ermöglichen und soziale Isolation zu bekämpfen. In dem dreijährigen vom Senat unterstützten und der Lottostiftung finanzierten Modellprojekt will der Verein das Konzept erproben.
„Im Grunde begann alles mit der Erinnerung an meine Kindheit“, sagt Jonas Deußer. „In meinem Heimatdorf in Hessen war es üblich, dass ich nach dem Kindergarten zu meinen Großeltern kam. Das Zusammenleben der Generationen war eine Selbstverständlichkeit. Später in Berlin habe ich eine Zeitlang in der Jugendhilfe gearbeitet und dort gemerkt, wie wenig Kontakt es eigentlich in der Großstadt zwischen Alt und Jung gibt.“ Als zur gleichen Zeit der Großvater in Hessen mit den Veränderungen in seinem Leben, die der Übergang in die Rente mit sich bringt, zu kämpfen hatte, war das für Deußer der Anstoß zur Vereinsgründung von „Sonay soziales Leben“ vor zwei Jahren.
Der Name Sonay ist Programm und bezeichnet den Punkt, an dem sich Ende und Anfang treffen – in diesem Fall Jung und Alt. Das erste Projekt des Vereins waren die „Schnuppertage Handwerk“, bei denen Senioren in Workshops Jugendlichen ihren früheren Beruf zeigen. Für das laufende Schuljahr gibt es zum Beispiel 20 Schnuppertage, in denen Schüler Einblicke in ein Handwerk bekommen und dieses ausprobieren können. In einem zweiten Projekt können dagegen Senioren von Jugendlichen lernen, sich sicher in der digitalen Welt zu bewegen – zum Beispiel in Digital-Cafés in Bibliotheken, bei konkreten Sprechstunden oder Digital-Kursen. Mit dem dritten Projekt „Generationen-WG Berlin“ gehen Jonas Deußer und sein fünfköpfiges Sonay-Team nun das Thema Wohnen an, das in Berlin in den vergangenen Jahren zunehmend an Brisanz gewonnen hat.
„Ein Blick auf die Zahlen macht den Sinn von Generationen-WGs klar“, sagt Jonas Deußer. So gebe es derzeit in der Stadt rund eine Million über 60-Jährige, davon rund 300.000, die in Wohnungen ohne Mitbewohner leben. Im Schnitt verfügen diese über 70 Quadratmeter Wohnfläche. Raum, der teils ungenutzt bleibt und mitunter für die Senioren schwer zu unterhalten ist. „‚Generationen-WG Berlin‘ bietet hier eine Lösung“, erklärt Jonas Deußer. „Junge Menschen und Senioren teilen sich Wohnraum fair und auf Augenhöhe, aber ohne den Pflegeaspekt einzubeziehen. Bei der ‚Generationen-WG Berlin‘ geht es um die Schaffung einer lebendigen Gemeinschaft mit fairen Mieten.“
Überzeugungsarbeit leisten
Natürlich ist Jonas Deußer klar, dass der Erfolg des Projekts davon abhängt, ob und wie viele Senioren sich auf das Konzept einlassen. Denn während einerseits bei jungen Leuten die Nachfrage nach Wohnraum groß ist, gilt es bei Senioren, die womöglich nie in Wohngemeinschaften gelebt haben, Überzeugungsarbeit zu leisten. Jonas Deußer: „Wir nutzen viele Kanäle, um Senioren umfassend über das Projekt zu informieren. Informationen wie Prospektmaterial und Aushänge werden zum Beispiel in Kooperation mit den Bezirken, über Wohnungsbaugenossenschaften und Immobilienfirmen verteilt, darüber hinaus mittels der Berliner Altenhilfe und Seniorenbegegnungsstätten.“
Für Interessenten – in der ersten Woche nach Projektstart immerhin bereits ein älteres Ehepaar und ein alleinstehender Rentner – bietet der Verein eine umfassende Begleitung und Hilfe von der Besichtigung und dem Kennenlernprozess über Fragen zum Untermietvertrag bis zur Einzugshilfe. Wichtig sei, so Deußer, dass es für beide Seiten passe. Deshalb könne auch eine Zeit zum Probewohnen vereinbart werden. „Im Übrigen gibt zum Beispiel die Vermittlung von Austauschstudenten vorab die Möglichkeit einer zeitlichen Begrenzung des Zusammenwohnens“, erklärt Deußer.
Interessierte ab 60 Jahre und junge Erwachsene können sich bewerben auf www.generationen-wg- berlin.de oder montags bis donnerstags zwischen 10 und 14 Uhr unter Tel. 84 42 69 23. Bei Fragen steht die Projektleitung zudem über den E-Mail-Kontakt wohnen@sonaysozialesleben.de zur Verfügung.
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
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