Auf den Spuren der Vergangenheit
Wo Geschichte in Reinickendorf entdeckt und erlebt werden kann
In der Reinickendorfer Geschichte spiegelt sich vor allem jüngere Berliner Geschichte. Aber nicht nur.
Historische Annäherung. Sie ist am besten über das Museum Reinickendorf, Alt-Hermsdorf 35, (www.museum-reinickendorf.de, täglich außer sonnabends von 9 bis 17 Uhr) möglich. Die Dauerausstellung zeigt die historische Entwicklung des Bezirks vom Mittelalter bis heute. Auch ein Kinderzimmer mit Spielzeug aus verschiedenen Epochen oder ein historisches Klassenzimmer sind Teil der Schau. Im Museumsgebäude befindet sich zudem das Bezirksarchiv (Donnerstag von 13 bis 17 Uhr, Anmeldung unter ¿902 94 64 54, E-Mail: archiv@reinickendorf.berlin.de). Es verfügt über zahlreiche Dokumente und Originalbestände zur Geschichte von Reinickendorf und seiner Ortsteile.
Hidden Champions. Reinickendorf hat sich speziell in der Berliner Industriegeschichte mit einem eigenen Kapitel verewigt. Diese Spuren freizulegen, hat sich der Verein Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv (www.bb-wa.de) zur Aufgabe gemacht. Es lädt ein zu Spaziergängen, die auch als Audiotouren möglich sind. Virtuell geht es zum Beispiel durch Alt-Reinickendorf, zur Flottenstraße oder entlang der Roedernallee, „die Straße der Hidden Champions“.
Friedhof als Gedenkstätte. Das Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik ist ein besonderer historischer Ort. Während der Nazizeit, zumeist im Zuge des sogenannten Euthanasieprogramms, sind in den damaligen Wittenauer Heilstätten mehr als 4600 Menschen gestorben. Dass an diese Geschichte erinnert wird, ist vor allem Initiativen aus der Zivilbevölkerung zu verdanken. So hat sich etwa der Freundeskreis Alter Anstaltsfriedhof (www.freundeskreis-anstaltsfriedhof.jimdofree.com) für einen Gedenkort eingesetzt. Diesen Status hat der Friedhof seit Ende Januar. Begleitend dazu gibt es die Ausstellung „totgeschwiegen“ auf dem ehemaligen Klinikgelände. Und nicht weit davon entfernt, am Eichborndamm 238 liegt der Gedenkort für die einstige städtische Nervenklinik für Kinder, einst „Wiesengrund“ genannt. Er ist auch Thema bei Schülerprojekten im Rahmen des Geschichtslabors Eichborndamm (www.geschichtslabor-eichborndamm.de).
Das deutsche Gedächtnis. Am Eichborndamm 179, bis 1945 Sitz der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik, liegt die Außenstelle des Bundesarchivs für personenbezogene Auskünfte zum Ersten und Zweiten Weltkrieg (Mo bis Do 9-16, Fr 9-14 Uhr, https://bwurl.de/17r7, poststelle-pa@bundesarchiv.de, ¿41 90 44 40). Wer etwas über das Schicksal von Soldaten der Weltkriege erfahren möchte, wird hier fündig.
Erst seit 2019 gehört diese Personensuche zum Bereich des Bundesarchivs. Gelagert sind die Akten seit 1951 in Reinickendorf. Das Personenarchiv wird nach vorherigem Umbau in das ehemalige Motorola-Gebäude Am Borsigturm ziehen, das von der bundeseigenen Immobilienverwaltung BImA für das Bundesarchiv angemietet wurde.
Die Mauer steht noch. Reinickendorf war als Außenbezirk während der Zeit der Teilung besonders stark von der Berliner Mauer umgeben. An einer Stelle durchschnitt sie sogar den Bezirk. Und zwar am sogenannten Entenschnabel, ein Gebiet, das sich von der Oranienburger Chaussee nach Westen erstreckt und von den Ortsteilen Hermsdorf und Frohnau begrenzt wird. Nur nach Osten gibt es eine Verbindung zur Gemeinde Glienicke/Nordbahn, zu der die Gegend gehört.
Von 1961 bis 1989 war dieses Gebiet von der Mauer umgeben und ragte wie ein Entenschnabel nach Reinickendorf. Wegen dieser fast Enklave gab es damals auch keine direkte Verbindung von Hermsdorf nach Frohnau über die Oranienburger Chaussee.
Heute ist das alles nur noch schwer vorstellbar. Einigermaßen nachvollziehen lässt sich diese Zeit aber noch anhand der Gedenktafel am Entenschnabel. Außerdem gibt es weitere Hinweise über Fluchttunnel oder Mauertoten in diesem Bereich entlang des Berliner Mauerwegs.
Bei einer anderen Reinickendorfer Mauergeschichte handelt es sich um eine späte Entdeckung. Unweit des Bahnhofs Schönholz befindet sich ein Stück Ziegelwand. Es wurde im Januar 2018 vom Pankower Heimatforscher Christian Bormann als wahrscheinlich letztes noch vorhandenes Stück der Berliner Ur-Mauer der Öffentlichkeit präsentiert. Dass die 80 Meter einst Teil des „antifaschistischen Schutzwalls“ waren, ist nahezu unstrittig. Christian Bormann kämpft für einen Lern- und Gedenkort an dieser Stelle. Nirgendwo könne Geschichte anschaulicher vermittelt werden, als an den Originalschauplätzen, sagt er.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.