Die großen Wohnungsbauvorhaben und ihre Folgen
Studie deckt Schwachstellen im Öffentlichen Nahverkehr in Reinickendorf auf
In Reinickendorf entstehen in den kommenden Jahren fünf große Wohnungsbauvorhaben. Wie sieht es mit ihrer Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr aus?
Aus Tegelort hatte es noch unter der früheren Verkehrsstadträtin Korinna Stephan (B’90/Grüne) Klagen von BVG-Kunden gegeben. Bis zu einer Stunde hätten sie schon auf den Bus warten müssen, schrieben sie an die damalige Grünen-Stadträtin. Die Beschwerden aus Tegelort und die Frage künftiger Mobilitätsmöglichkeiten in den Neubauquartieren seien 2022 der Anlass gewesen, die aktuelle ÖPNV-Situation im Bezirk untersuchen zu lassen, erklärte die inzwischen nur noch für Stadtentwicklung zuständige Grünen-Politikerin. Das Büro Argus, inzwischen Ramboll, sei mit der Analyse beauftragt worden. Die Ergebnisse liegen jetzt vor und wurden am 11. Juni bei einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Stadtentwicklung sowie Mobilität und Tiefbau vorgestellt.
Grundsätzlich seien alle Reinickendorfer Ortsteile gut an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen, stellte Daniel Windmüller von Ramboll fest. Es gebe allerdings auch „weiße Flecken“. Als Beispiele für eher unterversorgte Gebiete oder solchen mit langen Wegen zu einer Bushaltestelle nannte Windmüller unter anderem das nördliche Frohnau, in Hermsdorf zwischen Fließ und S-Bahnhof, den Bereich Meller Bogen im Ortsteil Reinickendorf, die Veitstraße und Greenwichpromenade in Tegel und abgesehen vom U-Bahnhof auch das Karl-Bonhoeffer-Areal in Wittenau.
Das Karl-Bonhoeffer-Gelände ist gleichzeitig der Standort eines der fünf Großbauprojekte. Es besteht also Nachholbedarf. Gleiches gilt nach Ansicht von Daniel Windmüller für das TetraPak-Gelände in Heiligensee. Nur der südliche Teil sei dort auch wegen der Nähe der S-Bahn mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln gut angeschlossen. Für das geplante Schumacher-Quartier auf dem ehemaligen Flughafen Tegel ist die Frage einer entsprechenden ÖPNV-Anbindung erst recht zu klären. In der Cité Foch sind, auch im Rahmen des Mobilitätskonzepts, Buslinien durch das Quartier vorgesehen. Am wenigsten Probleme dürfte es im Ziekowkiez geben. Das Wohnviertel sei schon jetzt durch Busse gut erreichbar. Außerdem gehe es in diesem Fall nur um eine Nachverdichtung.
Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit sind Probleme, wie sie zum Beispiel aus Tegelort bekannt sind und Daniel Windmüller sie aus eigener Anschauung bestätigen konnte. An zwei Tagen hat er sich dort aufgehalten. Von den 28 Bussen, die während seiner Beobachtungszeit die Haltestelle anfahren sollten, waren sieben pünktlich, neun kamen zu spät und genau so viele zu früh, drei fielen aus. Käme der Bus eher als im Fahrplan angegeben, wäre das für seine Nutzer ebenfalls ärgerlich, stellte er fest. Umso mehr, wenn der nächste Bus Verspätung hat oder gar nicht erscheint. Längeres Warten auf den Bus hat die Analyse auch bei anderen Haltestellen festgestellt.
Wer im Übrigen mit dem Auto oder Fahrrad in Reinickendorf unterwegs sei, wäre immer schneller als der Bus. Untersucht wurden hier 30 verschiedene Strecken. Gerade diese Resultate wurden insbesonderer von CDU-Bezirksverordneten in Zweifel gezogen. Die Analyse basiere hier auf dem Best Case-Modell einer freien Straße, lautete ein Einwand. Wie verhalte es sich aber bei Stau? Von dem wäre auch der Bus betroffen, entgegnete Daniel Windmüller.
Andere Verordnete fragten nach dem konkreten Nutzen der Analyse. Stadträtin Korinna Stephan (B’90/Grüne) verwies darauf, dass sie vor allem als Argumentationshilfe gegenüber der BVG und dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) diene, um Bedarfe für den ÖPNV anmelden und begründen zu können. Und manches, was in der Analyse aufgearbeitet worden sei, wie die neuen Wohnquartiere und ihre Auswirkungen, sei bei den Verkehrsbetrieben nicht bekannt. Trotzdem handle es sich nicht um eine umfassende Studie, räumten die Stadträtin und Windmüller übereinstimmend ein. Dafür sei das finanzielle Volumen zu eng bemessen gewesen.
Was die Analyse liefere, sei ein Überblick, ein Ist-Zustand des öffentlichen Nahverkehrs im Bezirk. Sie kostete laut Korinna Stephan zwischen 20 000 und 22 000 Euro und wurde aus dem Topf der sogenannten „Sprinter-Prämie“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zur Förderung des Wohnungsneubaus finanziert, der deshalb auch in der Analyse eine wichtige Rolle spielte.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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