Chef Wolfgang Neubauer wünscht sich Existenzsicherheit
100 Jahre Kolonie Friedrichshall: Das wird gefeiert!
Die Kleingartenkolonie Friedrichshall feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. Genau genommen wäre es erst am 11. Oktober soweit, aber die etwa 60 Laubenpieper wollen den Sommer mitnehmen und so findet die Sause eben schon am Sonnabend, 17. August, statt.
Pünktlich zum Jubiläumsjahr hat ein neuer Vorsitzender das Ruder der Kolonie übernommen. Vor einem Vierteljahr wurde Wolfgang Neubauer gewählt und ist also gleich mit der Organisation des Festes betraut. Kein Problem für den 66-jährigen Rentner, er macht das gerne und das Fest soll auch nicht allzu groß werden. Es gibt eine Tombola, kühle Getränke, Leckeres vom Grill und Musik. Los geht es um 15 Uhr, die Feiergäste versammeln sich auf der Parzelle Nummer 13 im Otto-Heboldt-Weg, ein für Kleingarten-Siedlungen typischer Pfad, der von der Friedrichshaller Straße abgeht. Nach erstem Plausch und Umtrunk mit den eigenen und benachbarten Kleingärtnern werden dann um 16 Uhr ein halbes Dutzend Politiker mit kurzen Redebeiträgen im Gepäck erwartet, unter anderem möchte Grünen-Baustadtrat Oliver Schruoffeneger der Einladung folgen.
„Kleingärten sind begehrtes Bauland“
Für Neubauer ist das wichtig. Denn wie beinahe alle Kolonien in Berlin leben auch die Friedrichshaller in ständiger Ungewissheit. „Kleingärten sind begehrtes Bauland“, sagt Neubauer. Er habe angesichts der Wohnungsknappheit auch Verständnis dafür, halte aber Grünzüge in Großstädten – auch in Form von Kleingartenanlagen – angesichts des fortschreitenden Klimawandels für unabdingbar. „Gerade erst ist eine Schweizer Studie erschienen, die besagt, dass London oder Paris Temperaturen wie Madrid bekommen werden. Da wird es dann mollig. Es braucht auch in Berlin mehr als nur Urban Gardening, damit die Wohnbedingungen erträglich bleiben.“
Politiker kommen zum Fest
Neubauer hat den Eindruck, bei vielen Politikern und Stadtentwicklern finde gerade ein Umdenken in diese Richtung statt. „Deshalb sind wir optimistisch. Wir hoffen aber dennoch wie alle anderen Kolonien auch, eines Tages im Flächennutzungsplan als dauerhaftes Grün ausgewiesen zu sein, und auf einen vernünftigen Bebauungsplan.“ Im schlimmsten Fall wäre der Verein Friedrichshall nicht als erster betroffen. „Wir sind mit unseren 40 Gärten ja eher ein Handtuch auf der Karte und zudem zwischen den großen Kolonien Oeynhausen und Mannheim eingebettet. Es würde also zunächst links und rechts von uns angeknabbert werden.“ Die Präsenz der Politik sieht Neubauer auch als Chance, den einen oder anderen positiven Gedanken in die Köpfe der Entscheidungsträger zu pflanzen.
"Wir sind eine offene Kolonie"
Im Laufe der vergangenen Jahre habe sich die Sichtweise auf die Kleingärten gewandelt, sagt der Vorsitzende. Nach dem Ersten Weltkrieg hätten sie der Produktion und Versorgung mit Lebensmitteln gedient, nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Faktor Wohnen hinzugekommen, danach und bis heute seien sie als Oase der Erholung genutzt worden. „Und jetzt kommt eben der Klimawandel hinzu. Sie gewinnen wie gesagt als Grünzug Bedeutung und wenn es so weit kommt, dass wir tatsächlich für Obst und Gemüse aus dem Supermarkt einen CO²-Zuschlag bezahlen müssen, wird die Produktion in unseren Gärten auch hinsichtlich der Kosten wieder interessant.“ Neubauer findet diese Entwicklungen spannend, genauso wie das Konzept und die Zusammensetzung der eigenen Kolonie. „Was uns besonders macht, ist, dass wir eine offene Kolonie sind. Jeder kann hier spazieren gehen und sich dabei erholen. Und das wird auch wirklich rege genutzt. Unser Vereinsgrundstück ist ein offener Garten, Menschen liegen hier während ihrer Mittagspause im Liegestuhl und genießen die Ruhe.“ Auch auf die Durchmischung der Parzellen-Pächter ist der kleine Verein stolz. „Amerikaner, Japaner, Kroaten, Deutsche – sehr viele Nationalitäten sind vertreten. Das macht das Miteinander sehr lebendig.“ So soll es bleiben, das Gärtnern soll Spaß machen, findet Neubauer. Nur noch die Rechtssicherheit fehle, weiterhin existieren zu dürfen, ansonsten habe er keine Wünsche für die nächsten 100 Jahre.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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