Preis für ein ganz besonderes Patenschaftsmodell
Auf dem Alten St.-Matthäus-Friedhof können sich Menschen in historischen Gräbern beisetzen lassen
Für die Restaurierung eines historischen Grabmals sorgen und dort später selbst ruhen, das ist auf dem Alten St.-Matthäus-Friedhof an der Großgörschenstraße möglich. Seit 2007 bietet der Förderverein EFEU Grabpatenschaften an. Jetzt hat er für seine Verdienste um die Denkmalpflege die renommierte Ferdinand-von-Quast-Medaille bekommen.
Im Jahr 1856 wurde der Friedhof eingeweiht und er gilt als einer der schönsten der Stadt. Viele Persönlichkeiten sind hier begraben und es gibt die unterschiedlichsten Ruhestätten – von prächtigen Mausoleen über tempelartige Wandgräber bis hin zu schlichten Stelen. Doch was tun, wenn die Nutzungsrechte abgelaufen sind? Ein Grabmal einfach abzuräumen, wie es früher üblich war, verbietet der Denkmalschutz. Glücklicherweise, findet Wolfgang Schindler vom Vorstand des Vereins EFEU (Erhalten, Fördern, Entwickeln, Unterstützen).
Vor 15 Jahren begannen die Friedhofsverwaltung und der Verein, die Vergabe von Grabpatenschaften zu organisieren. Das funktioniert so: Ein Interessent sucht sich eines der zur Verfügung stehenden Gräber aus. Dann macht der Steinmetz einen Kostenvoranschlag für die Restaurierung. Die kann ganz unterschiedlich teuer sein, die Spanne reicht von ein paar Hundert bis zu mehreren Zehntausend Euro. Wichtig: Gibt es noch alte Grabtafeln oder Grabsteine, müssen sie so erhalten bleiben, wie sie sind. Stirbt der Pate und lässt sich hier bestatten, darf er seinen Namen nicht einfach dazusetzen. „Ein eigener Kissen- oder Pultstein ist aber erlaubt, am besten aus demselben Material wie der historische“, so Schindler. Ansonsten gelten für die Patengrabstätten die üblichen Regeln. Die Nutzungsdauer nach der Beisetzung beträgt 20 Jahre, sie kann aber verlängert werden. Möglich sind Erd- und Urnenbegräbnisse.
Rund 140 Patenschaften sind inzwischen vergeben, 45 Gräber und sieben Mausoleen noch frei. Oft sind es keine Einzelpersonen, die eine Ruhestätte übernehmen, sondern Wahlfamilien, erzählt Schindler. Beispielsweise wurde die Möckernkiez-Genossenschaft, ein Wohnprojekt, Pate für ein großes Grab. Darin sollen einmal mehr als 100 Urnen Platz finden. Für eine Gruft hat sich die Gemeinschaft eines ehemaligen besetzten Hauses an der Bülowstraße entschieden – und beweist auch angesichts des Todes Humor. „Sie hat die Erlaubnis vom Denkmalamt, nicht nur eine Tafel mit ihrer Geschichte, sondern auch mit der Parole ‚Wir bleiben drin’ aufzustellen“, so Schindler.
Das älteste Grab, ein „Wegkreuz“ aus Marmor, wurde an zwei Frauen vergeben, die eine neue Überdachung für das Denkmal bauen lassen. Der Schwulenclub Connection gehört ebenso zu den Paten wie eine Freundesclique, der Verein Denk mal PositHIV oder die Berliner Tafel. Regisseur Rosa von Praunheim, der kürzlich 80 Jahre alt geworden ist, fand Gefallen an einem eher schlichten Begräbnisplatz und auch Wolfgang Schindler hat sich schon vor Jahren eine letzte Ruhestätte ausgesucht. Übrigens: Die Grabpatenschaften sind nicht nur auf dem Alten St.-Matthäus-Friedhof möglich, sondern auch auf dem Zwölf-Apostel-Friedhof an der Kolonnenstraße. Hier stehen rund 200 historische Ruhestätten zur Auswahl.
Der Verein EFEU beschäftigt sich aber nicht nur mit der Vergabe und Pflege von historischen Gräbern. Er organisiert Ausstellungen, Lesungen, Vorträge und Führungen. Und Wolfgang Schindler weiß bei einer Tour über den Friedhof viel zu erzählen. Beispielsweise über das größte Mausoleum des Friedhofs, wo die Familie des Fabrikanten, Politikers und Bankengründers David Hansemann liegt. Auch die Brüder Grimm ruhen hier, der Mediziner Rudolf Virchow, der Sänger Rio Reiser, der Boxer Graciano Rocchigiani und, und, und.
Weitere Informationen gibt es unter www.efeu-ev.com.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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