Alle mussten gewusst haben, worum es ging
Erste Forschungsergebnisse zur Rolle der Ofenbauerfirma Kori in der NS-Zeit
Im Februar hatten die Bezirksverordneten auf Antrag der Grünen beschlossen, an der Stelle der ehemaligen Heinrich Kori GmbH in der Dennewitzstraße 35 eine Mahntafel anzubringen. Damit wurde die dunkle Vergangenheit der Ofenbauerfirma in der Zeit des Nationalsozialismus einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.
Licht ins Dunkle des Unternehmens wollen zwei Historikerinnen bringen. Unlängst berichteten Annegret Schüle, Leiterin des Erinnerungsorts „Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz“ in Erfurt, und Susanne Zielinski, Mitarbeiterin am Erinnerungsort Topf & Söhne, im Schöneberg Museum über erste Forschungsergebnisse. Der Vortrag fand im Rahmen der Sonderausstellung „Ausgeblendet. Der Umgang mit NS-Täterorten in West-Berlin“ im Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße statt.
Susanne Zielinski befasst sich seit zwei Jahren intensiv mit dem Unternehmen aus Schöneberg, das, wie Topf & Söhne, Leichenverbrennungsöfen für die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager herstellte.
Die Quellenlage sei schlecht, räumte Zielinski gleich zu Beginn ein. Die Firma sei 2012 aus dem Handelsregister gelöscht worden und bis heute nie Gegenstand wissenschaftlicher Forschung gewesen. „Ihre Geschichte ist weitgehend unbekannt. Vielleicht gelingt es mit Geduld und Hartnäckigkeit, das Thema doch noch aufzuarbeiten“, so Susanne Zielinski.
Am Anfang steht der Ingenieur und Gründer aus einer sächsischen Juristenfamilie, Heinrich Kori (1860-1938). Er baut den Betrieb von einem Büro für Zentralheizungen in der Luisenstraße in Mitte zu einem erfolgreichen Unternehmen mit den Geschäftsfeldern Heizungen und Feuerungsanlagen in der Dennewitzstraße aus, das ganz Europa und sogar Länder in Übersee beliefert.
In den Zwanzigern wird Kori eine GmbH. Einer ihrer Gesellschafter ist der Ingenieur Hugo Heßler (1881-1952). Das NSDAP-Mitglied wird 1936 einer der Geschäftsführer und zwei Jahre später erster Geschäftsführer. Ein Jahr nach dem Tod von Heinrich Kori nimmt Heßler Geschäftsbeziehungen zur SS auf. Wie der Kontakt zustande kam, ist bisher nicht bekannt. Vielleicht über Georg Kori, Jahrgang 1900, den Neffen des Firmengründers. Er ist seit 1933 Mitglied der SS und seit 1937 Scharführer. Alle mit der SS geschlossenen Verträge hat Hugo Heßler unterzeichnet.
Die SS erteilt ihren ersten Auftrag am 9. Dezember 1939. Bestellt werden Kremierungsanlagen für die KZ Sachsenhausen, Mauthausen und Flossenbürg, lieferbar bis 15. Januar 1940. Ein Kori-Ofen zur Einäscherung kostet inklusive Montage 3200 Mark. Die KZ-Öfen sind technisch von Müllverbrennungsöfen abgeleitet. Kori stattet mindestens 18 Konzentrations- und Vernichtungslager mit Öfen aus.
Kori-Mitarbeiter seien vor Ort mit Details konfrontiert gewesen, die nicht öffentlich werden sollten, so die Historikerin Susanne Zielinski. „Alle mussten gewusst haben, worum es ging.“ Für einen wie auch immer gearteten Widerstand seitens Firmenleitung oder Mitarbeiter gibt es momentan keine Belege. Dafür ist Susanne Zielinksi auf Hinweise gestoßen, dass Kori auch Gaskammern ausgestattet hat.
In den 40ern ist Kori ein „Reichsbetrieb“, also bedeutend für die Rüstungs- und Kriegsproduktion. Finanziell geht es bergauf. Der Gewinn steigt seit 1940 stark, um 1944 drastisch zu fallen. Die Produktionsstätte in der Dennewitzstraße ist durch alliierte Bomben stark beschädigt. Die SS räumt ihre KZs.
Nach 1945 bleibt die Firma unbehelligt. Die Alliierten stellen keine Nachforschungen an. Es kommt weder zu Gerichtsverhandlungen noch zu Verurteilungen. Hugo Heßler wird 1948 rehabilitiert. Er bleibt bis 1951 Geschäftsführer. Seine Hauptaufgabe ist, die Kriegsschäden zu reparieren und das Geschäft irgendwie aufrecht zu erhalten.
1976 verkaufen Heinrich Koris Enkel das Grundstück in der Dennewitzstraße. Der Schöneberger Norden ist eines der größten Sanierungsgebiete in West-Berlin. Die Gebäude werden abgerissen. Kori zieht nach Neukölln in die Rudower Straße 122. 1999 ist die Firma insolvent. 2012 wird sie im Handelsregister gelöscht.
Zielinski und Schüle befürworten eine „Markierung“ des historischen Ortes in der Dennewitzstraße. Zuvor seien jedoch weitere wissenschaftliche Forschungen und Publikationen notwendig.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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