Angebot zum kurzen Nachdenken
Grüne und SPD wollen Mahntafel „Orte des Schreckens“ besser sichtbar aufstellen
Grüne und SPD in Tempelhof-Schöneberg haben die Tage des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus Ende Januar nicht allein für einen Rückblick genutzt.
„Gerade in Zeiten eines immer aggressiver auftretenden Rechtsextremismus, eines anwachsenden Antisemitismus und Rassismus darf die Erinnerung an die Schrecken des Nationalsozialismus und das Gedenken an seine Millionen Opfer nicht am Rand stehen. Da gehört es sichtbar ins Zentrum – ins Zentrum unseres politischen Handelns und auch in die Mitte unserer Plätze“, sagt Bertram von Boxberg.
Der grüne Verordnete meint konkret das Mahnmal „Orte des Schreckens, die wir niemals vergessen dürfen“ am U-Bahnhof Wittenbergplatz. Eine zweite Version steht am Kaiser-Wilhelm-Platz.
Die großformatige Tafel aus Stahlrohr und Stahlblech mit gelber Inschrift listet nationalsozialistische Konzentrations- und Vernichtungslager auf: Auschwitz, Stutthof, Maidanek, Treblinka, Theresienstadt, Buchenwald, Dachau, Sachsenhausen, Ravensbrück, Bergen-Belsen, Trostenez und Flossenbürg. Sie wurde ursprünglich an der Südwestseite des Wittenbergplatzes aufgestellt und später auf den Mittelstreifen rechts neben dem Westeingang des U-Bahnhofs versetzt. 1995 wurde die KZ-Liste nach einem Beschluss der damaligen Bezirksverordnetenversammlung Schöneberg um die Namen Trostenez und Flossenbürg ergänzt. In Trostenez nahe dem weißrussischen Minsk wurden 207 000 Menschen ermordet, in Flossenbürg bei Weiden in der Oberpfalz 100 000. Heute, so von Boxberg, fristete die Tafel auf dem Wittenbergplatz ein Schattendasein am Bahnhofsgebäude. Der Wunsch von Grünen und SPD ist aber, dass den aus der U-Bahn kommenden Passanten „im Anblick des Konsumtempels (KaDeWe) das Angebot eines kurzen Nachdenkens gemacht werden sollte“.
Der grün-rote Antrag geht aber noch weiter. Zusätzlich soll die Geschichte der Gedenktafeln auf den beiden Schöneberger Plätzen dokumentiert werden. Sie reicht in die Zeit gewalttätiger Studentenproteste in West-Berlin zurück. Die Tafeln wurden 1967 aufgestellt.
Das war kein unverfängliches Jahr. Damals spitzte sich die Lage zu. Am 2. Juni wurde der Student Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien von einem Polizisten erschossen. Der stand, wie sich erst vor wenigen Jahren herausgestellt hat, in Diensten der Stasi. Im Herbst 1967 trat der Berliner Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Heinrich Albertz (SPD) zurück.
Und dann seien da noch die auf Initiative des Springer-Verlags – der Feind Nummer eins der revoltierenden Studenten – aufgestellten Schilder gewesen, erzählt Bertram von Boxberg. Schilder mit Namen von Orten in den sogenannten Ostgebieten und die Entfernung zu ihnen in Kilometern. Die Gedenktafeln „waren ein bewusster Gegenentwurf“, so Bertram von Boxberg. Mit der Liste der Konzentrationslager erinnerten die Mahntafeln daran, warum Deutschland geteilt worden sei und die „Ostgebiete“ verloren gingen.
Der Ausschuss für Bibliotheken, Bildung und Kultur wird voraussichtlich im März über den Antrag weiter debattieren. Auf Seiten der CDU ist man der Auffassung, dass das Verständnis der Hintergründe der Tafeln wichtiger ist als der Standort. Fraktionschef Matthias Steuckardt ist auf Vorschläge der Gedenktafel-Kommission gespannt. Erklärungsbedürftig sei zum Beispiel, warum bei der Aufzählung der KZ viele fehlten.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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