Im Keimraum der Schauspielkunst
Theater shortvivant beeindruckt mit „Koschere Kuscheltiere“ in der Malzfabrik

Das Ensemble von "Koschere Kuscheltiere.  | Foto: Theater shortvivant
2Bilder
  • Das Ensemble von "Koschere Kuscheltiere.
  • Foto: Theater shortvivant
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Er ist derzeit einer der kühlsten Orte in Berlin und gewiss auch einer der ungewöhnlichsten. Das Theater shortvivant feierte Premiere des Stücks „Koschere Kuscheltiere“ im ehemaligen Keimraum der Malzfabrik an der Bessemerstraße.

Weg vom tradierten Guckkasten-Theater, das machen viele Theaterensembles. Klassisches und Modernes kommt auf der Straße, in Parkhäusern oder aufgegebenen Fabrikhallen vors Publikum. Häufig steckt bloße Effekthascherei dahinter. Beim Theater shortvivant ist der Spielort ein sinnstiftender Teil der Dramaturgie.

Ort von „Koschere Kuscheltiere“, einer mit Absurditäten gespickten Tragikomödie des zeitgenössischen Autors Hauke Lidschreiber, ist eine Loftwohnung direkt unter einem Staudamm. Das Stück im tiefen, fensterlosen Keimraum der Malzfabrik zu spielen, mit fließendem Übergang von „Bühne“ zu „Zuschauerraum“, ganz nah und unmittelbar also, hat was. Es lässt die Zuschauer die Handlung geradezu körperlich erfahren.

Schon das Einnehmen der Plätze scheint zum gewollten Erfahrungsgewinn zu gehören. Die Zuschauer sammeln sich zunächst im ebenerdigen „Malzkabinett“, um kurz vor Aufführungsbeginn von shortvivant-Personal in Gruppen hinab in den Theaterraum begleitet und nach der 110-minütigen Aufführung ohne Pause auch wieder hinausgeführt zu werden. „Wir empfehlen festes Schuhwerk zu tragen und auch Kleidung, die etwas staubig werden kann.“ Aber ganz so schlimm wird es dann nicht.

In 14 Szenen wird die Geschichte einer Schauspielerin erzählt, die endlich heraus aus dem teuren und lauten Manhattan will und dazu eine günstige und abgeschiedene Loftwohnung fern der Stadt an einem außergewöhnlichen Ort besichtigt. Dort lebt seit geraumer Zeit bereits der jüdische Schneider Nathanael, der jährlich zum Versöhnungsfest Jom Kippur eigenwillige Gäste zu sich einlädt. Zudem muss er sich gegen allerhand Eindringlinge wehren. Als eine – vorhersehbare – Katastrophe über ihnen eintritt, setzt diese sich unter den Menschen im Loft fort.

Die jungen Schauspieler Nikolai Hepp, Cora Mainz, Benjamin Christopher Bronisch, Armin Schiller und Simon David Altmann – sie und andere zu fördern ist der Anspruch des Theaters shortvivant seit 2013 – sowie die erfahrenen Mimen Olaf Meier und Ralf Blank, der auch Regie führt, spielen nicht die ihnen zugedachten Rollen des Gero, der Lea, des Kenan, Trutz und Nathan. Sie sind diese dramatis personae mit Haut und Haaren.

Lidschreibers Stück, das mit Musikelementen, Videoeinspielungen und zeitgenössischen Bezügen auf jüdische Gebräuche spielt, fordert ein sehr körperliches und artistisches Schauspiel. Man muss als Zuschauer aber nicht um die Schauspieler fürchten. Die zum Teil gefährlichen sowie anspruchsvollen Szenen haben sie bewusst und mit Bedacht geprobt. Und Angst um die Zukunft der deutschen Theaterlandschaft muss man genauso wenig haben bei diesen so überzeugenden jungen Talenten auf der Bühne.

„Koschere Kuscheltiere“ bis 25. August je 20 Uhr, Einlass ab 19 Uhr, in der Malzfabrik, Bessemerstraße 2-14; Treffpunkt ist das Malzkabinett. Karten zu zehn Euro unter Telefon 89 72 99 55 oder info@theatershortvivant.de, keine Abendkasse.

Das Ensemble von "Koschere Kuscheltiere.  | Foto: Theater shortvivant
"Sonst kommst Du in die Kiste mit den ungeliebten Spielsachen." Simon David Altmann als Nathan und Cora Mainz als Lea in einer Szene der Tragikomödie "Koschere Kuscheltiere".   | Foto: Theater shortvivant
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 629× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 917× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 893× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.261× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.