Wegweisend oder weltfremd?
Geplante Maßnahmen des Runden Tisches Sexarbeit präsentiert
Ein paar Tausend Anwohner fühlten sich überhaupt nicht vom Straßenstrich gestört, meint eine Mitarbeiterin des Frauentreffs Olga. Die Einrichtung des Drogennotdiensts ist Anlauf- und Beratungsstelle für drogensüchtige Prostituierte im Kurfürstenkiez.
Diese Anwohner zeigten sich jedoch nicht in der Informationsveranstaltung des Runden Tisches Sexarbeit im Nachbarschaftszentrum Huzur an der Bülowstraße. Es überwog die Kritik an den Zuständen und geplanten Gegenmaßnahmen.
Diese hatten Tempelhof-Schönebergs Bürgermeisterin Angelika Schöttler als Vorsitzende des landesweiten „Runden Tisches Sexarbeit“ und die Berliner Staatssekretärin für Pflege und Gleichstellung, Barbara König (beide SPD), vorgestellt. Ziel des Fachgremiums aus Behördenmitarbeitern und Vertretern von sozialen Einrichtungen, Prostituierten und Bordellen ist es, die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern.
In der Veranstaltung betonte die Bürgermeisterin, dass sie gleichermaßen die Anliegen der Anwohner im Blick habe. Viele stören sich an den negativen Auswirkungen des Straßenstrichs wie offener Sex, Lärm und Fäkalien. Angelika Schöttlers setzt hier auf „gemeinsame Lösungen“.
Diese sehen vor, dass bis zu drei weitere, zu sogenannten Verrichtungsorten umgebaute mobile Toiletten aufgestellt werden. Sie sollen täglich, möglichst morgens, im Rahmen eines Beschäftigungsprojekts des Drogennotdiensts gereinigt werden. Desweiteren wird das vom Quartiersmanagement Schöneberger Norden und dem Bezirksamt Mitte finanzierte Nachbarschaftsprojekt des Frauentreffs Olga fortgesetzt. Es ist laut Behörden „die Schnittstelle für die Anliegen der Nachbarschaft und sozialer Einrichtungen“.
Es wird einen Drogenkonsumraum geben. Die Drogenhilfe wird vor Ort sein. Überhaupt ist geplant, Versorgung und Unterstützung der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter auf dem Straßenstrich zeitlich und räumlich auszubauen. Die Arbeitsgruppe „Prostitution und Soziales“ setzt ihre Tätigkeit fort. Ab 2020 ist die Stelle der Referentin für den Runden Tisch, Sarah Stöckigt, in Tempelhof-Schöneberg angesiedelt. Die Senatsverwaltung sowie die Bezirke Mitte und Tempelhof-Schöneberg haben Finanzmittel dafür in ihre Haushalte aufgenommen. Das Abgeordnetenhaus entscheidet im Dezember darüber.
Die Kritik der Bürger war heftig. Der Straßenstrich sei politisch gewollt, die Ideen des Runden Tisches seien weltfremd. Dadurch profitierten ausschließlich Zuhälter und kriminelle Clans. Das Wort Jugendschutz sei in den Ausführungen kein einziges Mal vorgekommen. Ein Teilnehmer gab bekannt, dass weder die Evangelische Elisabeth-Klinik, noch der Wissenschaftsverlag Walter de Gruyter noch andere Gewerbetreibende zum „gedeihlichen Miteinander“ beitragen würden.
Mittes Bürgermeister saß am Veranstaltungsabend nicht auf dem Podium, sondern im Publikum. Stephan von Dassel (Grüne) wiederholte ein weiteres Mal seine abweichende Position zum Thema. Er wünscht sich restriktivere Maßnahmen, wie sie in anderen deutschen und europäischen Großstädten praktiziert werden: Sperrzeiten und Sperrgebiete für den Straßenstrich. „Die Maßnahmen, die der Runde Tisch vorschlägt, werden nicht zum Ziel führen“, nämlich die Frauen aus Ungarn, Rumänien und Bulgarien vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen, die Organisierte Kriminalität zu bekämpfen und die Belastungen der Anwohner zu mindern, so der Bürgermeister.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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