Jahrelange Planungen für die Katz?
Gewobag zieht sich vom Projekt Nacht- und Sozialcafé zurück und schafft Tatsachen

Früher einmal ein Stehcafé, stand der Laden lange Zeit leer. Nun wurde der Laden von der Gewobag an einen privaten Mieter vergeben. | Foto:  Schilp
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  • Früher einmal ein Stehcafé, stand der Laden lange Zeit leer. Nun wurde der Laden von der Gewobag an einen privaten Mieter vergeben.
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Aus dem Nachtcafé an der Ecke Bülow- und Frobenstraße wird nichts. Die Gewobag hat die leer stehenden Räume an einen privaten Mieter vergeben. Das trifft bei Grünen-Politikern und beim Bezirksamt auf Unverständnis.

Alles schien unter Dach und Fach zu sein. Die Bezirksverordneten hatten mehrheitlich für die 24-Stunden-Einrichtung in der Nähe der Kurfürstenstraße gestimmt, in der vor allem Sexarbeiterinnen, Sexarbeiter, Drogenabhängige und Obdachlose einen sicheren Rückzugsort finden sollten. „Das Nutzungskonzept des Bezirksamts war ausgefeilt, die Berliner Stadtmission als Träger mit im Boot, und die Finanzierung gesichert“, so der Abgeordnete Sebastian Walter und der Bezirksverordnete Elias Joswich (beide Grüne).

Dann jedoch sei die Gewobag abgesprungen – trotz vorheriger Zusage. Die Politiker sind enttäuscht. Die Wohnungsbaugesellschaft werde ihrer sozialen Verantwortung im Kurfürstenkiez nicht gerecht, kritisieren sie und verweisen auf die Kooperationsvereinbarung „Leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnraumversorgung“, die 2024 mit dem Senat geschlossen wurde. In der Vereinbarung verpflichten sich die städtischen Wohnungsunternehmen Flächen auch für soziale Einrichtungen zu bezahlbaren Mieten bereitzustellen.

Gewobag-Sprecher Sebastian Schmidt weist die Vorwürfe zurück: „Vor etwa einem Jahr haben wir dem Bezirksamt – unter der Voraussetzung eines überzeugenden Konzepts – die Fläche in der Frobenstraße 22 exklusiv angeboten.“ Doch das vorgelegte Konzept sichere weder ein Rund-um-die-Uhr-Angebot noch die langfristige Finanzierung. Um den Leerstand zu beenden, habe die Gewobag die Ladenfläche zu Beginn des Jahres anderweitig vermietet. Davon habe das Bezirksamt gewusst. „Wir werden weiterhin nach geeigneten Flächen im Quartier suchen, um das diskutierte Konzept möglicherweise künftig an anderer Stelle umsetzen zu können“, so Schmidt.

Blick auf den noch leerstehenden Laden an der Ecke Bülow- und Frobenstraße. Das weiße Haus im Hintergrund steht an der Kurfürstenstraße, Hotspot für Prostitution und Drogen.
  • Blick auf den noch leerstehenden Laden an der Ecke Bülow- und Frobenstraße. Das weiße Haus im Hintergrund steht an der Kurfürstenstraße, Hotspot für Prostitution und Drogen.
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Und was sagt das Bezirksamt? Bürgermeister Jörn Oltmann (Grüne) erklärt, der Bezirk habe gemeinsam mit der Senatssozialverwaltung die Finanzierung bis Ende 2025 gesichert. Ein entsprechender Zuwendungsbescheid über 100.000 Euro sei der Gewobag und der Stadtmission im Dezember zugegangen.

Eine langfristigere Finanzierungszusage sei nicht üblich, denn die öffentliche Hand könne aus haushaltsrechtlichen Gründen immer nur für ein bis zwei Jahre Förderbescheide ausstellen. Auf dieser Grundlage arbeiteten fast alle Präventionsprojekte im Schöneberger Norden und anderswo. Über alles sei die Gewobag informiert gewesen und sie habe die ganze Zeit über signalisiert, dass die Fläche für das Nachtcafé gesichert sei. Dass die Gewobag das 24/7-Konzept der Stadtmission für nicht schlüssig hält, sorgt bei Jörn Oltmann ebenfalls für Kopfschütteln. Im Juli 2024 sei es mit Vertretern der Wohnungsbaugesellschaft besprochen und auch offiziell übermittelt worden. „Zu diesem Zeitpunkt hätte die Gewobag Änderungswünsche oder Bedenken äußern können – dies geschah nicht. Bis heute gibt es von ihr keine schriftliche Stellungnahme“, so der Bürgermeister. Zudem besitze sie ohnehin „keine fachliche Expertise“, um ein Versorgungskonzept für obdachlose und drogenabhängige Menschen zu beurteilen. Das sei Aufgabe der Stadtmission und der Experten im Bezirksamt.

Oltmanns Fazit: Bezirksamt, Senatsverwaltung und Stadtmission hätten alle notwendigen Schritte für eine Umsetzung des Projekts unternommen. Dass die Gewobag unter dem Vorwand fehlender Finanzierungssicherheit und Konzeptmängel von der Vereinbarung zurücktrete, widerspreche den vorherigen Abstimmungen. „Ich musste leider den Eindruck gewinnen, dass wir von der Gewobag nur benutzt wurden, um die eigenen Vermietungsinteressen besser durchsetzen zu können“, so Jörn Oltmann.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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