SENIOREN
Sport ist mehr als nur Freizeitgestaltung: Der Corona-Lockdown macht Senioren krank
Der Lockdown verlangt den Menschen viel ab. Den Familien, deren Kinder nicht in die Kita oder Schule gehen können. Den geschlossenen Geschäften, Restaurants, Kneipen und Kulturbetrieben, von denen viele vor der Pleite stehen – von den Schulden ganz zu schweigen. Den Arbeitnehmern und Solo-Selbstständigen, bei denen Kurzarbeitergeld oder Überbrückungshilfen nicht ankommen. Und nicht zuletzt den Senioren, die seit Monaten nicht in den Turnverein oder das Sportstudio gehen können – mit gravierenden gesundheitlichen Folgen.
Der regelmäßige Besuch im Turnverein oder Sportstudio ist für die älteren Sportler mehr als nur Freizeitgestaltung, er ist ein wichtiger Baustein für die Gesundheit. Klaus Petersen (Namen geändert) hat vor fünf Jahren von seinem Arzt folgende Aufforderung erhalten: „Herr Petersen, Sie wissen, dass Sie viel gegen Ihren erhöhten Blutzucker tun können, indem Sie den Besuch in einem Fitnessstudio nicht von vornherein ausschließen.“ Der 65-Jährige geht seitdem drei Mal in der Woche zum Yoga, macht Dehnübungen, trainiert an den Geräten, geht in die Sauna. Doch das geht seit Monaten nicht mehr und hat fatale Folgen: „Ich hatte meinen Blutzucker so einigermaßen im Griff, doch jetzt sind die Werte entgleist.“ Bei einer Messung im Oktober lagen der Nüchternblutzucker bei 172 und der HBA1c bei 7,8. Inzwischen liegen die Werte bei 230 und 9,5. „Das ist katastrophal! Der Lockdown hat mich zum Diabetiker gemacht“, ärgert sich Patient Petersen, der jetzt Tabletten nehmen und zur Diabetikerschulung gehen muss.
Hanna Peters hat ein Jahr lang versucht, das Beste aus der Situation zu machen. „Ich will mich auf keinen Fall mit dem Coronavirus infizieren, habe versucht, bei der Telegymnastik im Fernsehen mitzumachen – so, wie bisher im Sportverein.“ Doch das bringt nicht den gewünschten Erfolg. Die 82-Jährige, die auf einen Rollator angewiesen ist, hat inzwischen Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht, die Muskulatur hat sich zurückgebildet. Sie ist schwach auf den Beinen, schafft kaum den Weg bis zum Supermarkt. „Mein Körper ist steif, die Füße sind irgendwie blockiert, ich bin dringend auf die Übungen beim Seniorensport angewiesen. Sonst kann ich bald gar nicht mehr laufen.“
Peter Willems hat Übergewicht und leidet dadurch unter Bluthochdruck, außerdem hat er eine Fettleber. „Seit Beginn der Coronakrise habe ich vier Kilogramm zugenommen“, ärgert sich der 61-Jährige, weil er auf absehbare Zeit keine Möglichkeit hat, im Sportstudio Kalorien zu verbrennen und die Corona-Pfunde wieder loszuwerden. Joggen ist bei dem Gewicht nicht mehr möglich, das machen die Kniegelenke nicht mehr mit. Bleibt nur noch der tägliche Spaziergang.
Einen schmerzhaften Bandscheibenvorfall hatte Krista Meder bereits dreimal. Die Ärzte rieten ihr dringend zur Operation an der Wirbelsäule. Doch die 72-Jährige schlug einen anderen Weg ein: Die ehemalige Verwaltungsangestellte meldete sich bei einem Turnverein an, um zunächst zu versuchen, ihre Rückenmuskulatur zu stärken. Das war vor acht Jahren. Seither gab es keinen weiteren Bandscheibenvorfall zu beklagen, von einer Operation ist nicht mehr die Rede. Die Sportlerin, die immer mittwochs für eine Stunde zur Wirbelsäulengymnastik ging, sagt: „Mir ging es gut, aber seit acht Wochen sind die Rückenschmerzen wieder da, weil mein Turnverein geschlossen hat.“
Was bleibt den Menschen anderes übrig, als die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie einzuhalten? Doch alle Sportler haben mitbekommen, dass der Lockdown auch deshalb länger dauert als nötig, weil die Europäische Union den dringend benötigten Impfstoff zu spät und in zu geringen Mengen für die Mitgliedsstaaten eingekauft hat. Großbritannien, die USA und Israel sind mit den Impfungen viel weiter. Diese Versäumnisse wiegen schwer. Das Debakel bei der Impfstoffbeschaffung wird eher schöngeredet, als dass die katastrophalen Fehler eingestanden werden. Niemand entschuldigt sich oder tritt zurück. Die Bevölkerung muss es ausbaden, besonders die älteren Sportler. Sie leiden unter anderem an Diabetes, verlieren ihre Beweglichkeit, werden ihr Übergewicht nicht los und bekommen Rückenschmerzen.
Der Ratgeber „Umsorgt wohnen in Berlin-Brandenburg“, 464 Seiten, ISBN 978-3-941891-22-7, kostet 19,90 Euro und ist in der 6., überarbeiteten und aktualisierten Auflage im Buchhandel, online unter www.umsorgt-wohnen.de oder telefonisch unter 0800 600 89 84 (gebührenfrei; zzgl. 3,10 Euro Versandkosten) erhältlich.
Autor:Jochen Mertens aus Mitte |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.