Statische Entladungen bei Gepäckkontrolle
Gewerkschaft Verdi fordert aufgrund von Arbeitsunfällen Schließung des Terminals 1 am BER
Bei den Gepäckkontrollen am BER gibt es seit Monaten rätselhafte Stromschläge an den Kontrollgeräten. Die Gewerkschaft Verdi spricht von bisher 80 Arbeitsunfällen und fordert die Schließung des erst Ende Oktober eröffneten Terminals 1.
Auch eine Woche nach dem „Knall“ hat Melanie K.* Muskelkater im Oberarm. Die Mitarbeiterin der Firma Securitas, die im Auftrag der Bundespolizei (BuPo) die Sicherheitskontrollen durchführt, ist immer noch krankgeschrieben. „Das hat richtig wehgetan“, sagt sie. Melanie K. traf ein Stromschlag, als sie eine Plastikkiste berührt hat. Und das, obwohl sie bereits die neuen ableitfähigen Schuhe trug und einen sogenannten Antistatik-Schlüsselanhänger nutzte, um elektrostatische Ladungen abzuleiten. Das hatte die Bundespolizei nach ersten Beschwerden über die Stromschläge angeordnet. Denn laut Untersuchungen und Sachverständigengutachten soll es sich bei den rätselhaften Stromschlägen an den Kontrollgeräten um elektrostatische Entladungen handeln. „Technische Mängel an den Anlagen der Kontrolltechnik konnten ausgeschlossen werden“, so BuPo-Sprecherin Christina Geier. Die Entladungen würden „in der Regel zu keinen Verletzungen führen, können jedoch Schreckreaktionen verursachen“.
Die Gewerkschaft Verdi spricht von 60 bis 80 Fällen. Mehrfach mussten Verletzte mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden. Etliche der rund 100 Securitas-Mitarbeiter seien krankgeschrieben. „Allein am 6. Januar kam es zu elf dokumentierten Fällen, davon vier mit Rettungseinsätzen“, sagt Verdi-Landesbezirksfachbereichsleiter Benjamin Roscher. Er berichtet auch von einer Mitarbeiterin, die nach den Stromschlägen orientierungslos gewesen sein soll und später auf dem Weg zum Auto im Parkhaus zusammengebrochen sei. Kollege Martin W.* will sogar einen hellen Lichtbogen zwischen seiner Hand und dem Pult am Röntgengerät gesehen haben. Wie Melanie K. sagt, soll es das Phänomen auch schon bei den Kollegen an den Check-in-Schaltern und im Keller bei den Koffer-Röntgenstraßen gegeben haben.
Die Bundespolizei hat erst am 12. Dezember Hinweise zu den Vorfällen bekommen, so Christina Geier. Melanie K. glaubt nicht, dass es sich nur um elektrostatische Entladungen handelt und vermutet „irgendwelche Erdungsfehler“. Manche Kollegen hätten sogar Brandblasen, sagt sie. „Alle Mitarbeiter haben Angst, an den Geräten eine gewischt zu bekommen“, so Melanie K. Auch Passagiere bekamen schon einen Stromschlag. „Laut einem Sachverständigegutachten entsprechen alle Anlagen den gültigen Normen und anerkannten Regeln der Technik“, teilt die Bundespolizei mit. Das Sicherheitspersonal habe entsprechende Informationen zur Vermeidung elektrostatischer Aufladungen bekommen. Mittlerweile wurden an den Luftsicherheitskontrollen „ableitfähige Bodenmatten“ ausgelegt. Die BuPo empfiehlt zudem „regelmäßiges feuchtes Wischen des Fußbodens“.
Verdi-Mann Benjamin Roscher fordert die sofortige Einstellung der Arbeiten an den betroffenen Geräten im erst Ende Oktober eröffneten Terminal 1, „bis die technische Ursache für die Arbeitsunfälle gefunden und zweifelsfrei abgestellt ist“. Für Roscher „ist das Verhalten des Unternehmens und der Bundespolizei grob fahrlässig“. Die Flüge sollten auf dem alten Schönefelder Flughafen, dem jetzigen Terminal 5, abgefertigt werden. Der alte Flughafen wird momentan teilweise als Brandenburger Impfzentrum genutzt. „Aufgrund des ohnehin sehr niedrigen Passagieraufkommens käme es durch die Einstellung der Kontrolltätigkeiten im Terminal 1 noch nicht einmal zu Einschränkungen des Flugverkehrs“, sagt Benjamin Roscher.
Auf dem BER starten und landen derzeit täglich gerade mal 100 bis 150 Maschinen. Das ist weniger als ein Zehntel vom Normalbetrieb. Täglich werden weniger als 10 000 Passagiere abgefertigt. Die meisten Flieger sind nicht voll. Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) sieht wegen der elektrostatischen Entladungen keinen Grund, den Betrieb im Terminal 1 einzustellen. Die zuständigen Stellen der Bundespolizei hätten Maßnahmen ergriffen, die bereits zu einer deutlichen Reduzierung der elektrostatischen Entladungen geführt hätten, sagt Flughafensprecher Hannes Stefan Hönemann. Bei Einhaltung entsprechender Verfahren ließen sich die Vorfälle in Zukunft vermeiden.
*Namen wurden von der Redaktion geändert.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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