Aus Ruinen wurden Schönheiten: Jürgen Grothe zeigt das Berlin der 1960er Jahre
Spandau. Eine „fotografische Zeitreise durch das Berlin der 1960er Jahre“ nennt Jürgen Grothe seine aktuelle Ausstellung „Das historische Berlin“ im Kulturhaus Spandau.
Fotografien können Dokumente von Verlorenem sein, zum Beispiel von Gebäuden, die zerstört wurden durch Krieg oder Abriss. Wer Jürgen Grothe durch seine aktuelle Ausstellung im Kulturhaus Spandau begleitet, sieht Gebäude, die es noch gibt – heute allerdings in restauriertem Zustand, oft in einer Schönheit, die vergessen lässt, dass es sie beinahe nicht mehr gegeben hätte.
So ist es zum Beispiel mit dem Gendarmenmarkt, der nicht nur in Berlin als der vielleicht schönste Platz der deutschen Hauptstadt gilt. Grothe zitiert bei seiner Eröffnungsrede aus einem Tagesspiegel-Artikel aus dem Jahre 1960, in dem über Pläne der damals Ost-Berliner Verwaltung spekuliert wird, die dort noch vorhandenen Gebäude abzureißen. Grothes Fotografien von damals zeigen, dass diese Idee schon damals absurd war, und glücklicherweise auch nicht verwirklicht wurde.
Plaudereien mit Ost-Berliner Grenzsoldaten
Zwei andere Fotografien enthüllen dem Betrachter erst auf den zweiten Blick das, was sie zeigen. Die de-facto-Ruine ist der Martin-Gropius-Bau, seit langem eines der großen Ausstellungshäuser der Stadt. Am 27. Juli 1968, als Jürgen Grothe in dieser Ruine herum kletterte, war das ehemalige Kunstgewerbemuseum noch eine solche. Und auch der West-Berliner Senat erwog bis in die 1970er Jahre den Abriss, bis dann doch anders entschieden wurde. 1977 bis 1981 nahm man sich Zeit für die Wiederherstellung. Grothe erinnert sich noch gerne daran, wie er zum Zeitpunkt seines „Kletterns“ mit den Ost-Berliner Grenzsoldaten plauderte, die an der direkt angrenzenden Mauer ihren Dienst taten.
Überhaupt die Politik: Manchmal musste Grothe, der das fotografische Archiv der Landesbildstelle leitete, die heute Teil des Landesarchivs Berlin ist, Filme abgeben. Da war er dann auf Ost-Berliner Seite Grenzanlagen oder anderen delikaten Stellen zu nahe gekommen. Andererseits subventionierte die DDR unabsichtlich den Fotografen. Weil Filme damals noch sehr teuer waren, ließ sich Grothe gerne von einer Verwandten in Ost-Berlin mit Agfa-Filmen aus DDR-Produktion versorgen. „Die Abzüge sind natürlich West-Produktion“, schmunzelt er heute.
Auch wenn die Ausstellung im Kulturhaus das Berlin der 1960er Jahre zeigt und nicht das „benachbarte“ Spandau, einen Bezug zur Zitadellenstadt gibt es dann doch. Den Abschluss bildet der monumentale Lenin, der nach der Wende am heutigen Platz der Vereinten Nationen abgebaut und im Köpenicker Wald vergraben wurde – und dessen Kopf heute Teil der Ausstellung über Berlin und seine Denkmäler auf der Zitadelle ist.CS
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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