Freigabe ohne Fertigstellung
Auf der neuen Brücke zwischen Tegel und Siemensstadt fließt der Verkehr
Zur Eröffnung am 31. August hatten sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger eingefunden. Auch via Instagram konnte die Feier verfolgt werden. Auf dem digitalen Kanal sei bereits beim Probelauf eine rege Beteiligung festgestellt worden, sagte Rolf Dietrich.
Rolf Dietrich ist der Berliner Chef des Wasserstraßen-Neubauamtes (WNA). Er ist mächtig stolz. An diesem Tag wird der Verkehr auf der neu errichteten Tegeler Brücke freigegeben, deren Bauherr das WNA ist. Überpünktlich, wenige Minuten vor dem angekündigten Termin um 12 Uhr wurde die zweispurig befahrbare Brücke für den motorisierten Verkehr freigegeben.
Das Bauwerk über dem Spandauer Schifffahrtskanal ist die einzige direkte Verbindung zwischen den Bezirken Reinickendorf und Spandau. Sie führt von Tegel nach Siemensstadt, beziehungsweise Haselhorst und umgekehrt. Ungefähr 20 000 Fahrzeuge werden hier täglich gezählt. Deshalb war die Verbindung auch während der Bauzeit nicht unterbrochen. Noch vor dem Abriss der alten Brücke wurde eine Behelfsbrücke gebaut, über die der Verkehr bis zum 31. August geführt wurde. Es gab zudem einige Herausforderungen, wie etwa das Verlegen von mehr als 30 Kabelsträngen von der alten Brücke auf die Behelfsbrücke und schließlich auf die neue Brücke.
Rolf Dietrich war deshalb stolz, dass das Bauwerk trotz mancher Widrigkeiten im Zeit- und Kostenrahmen geblieben sei. Allerdings ist das Gesamtprojekt noch nicht abgeschlossen. Der Geh- und Radweg auf der Westseite konnte bei der Freigabe noch nicht genutzt werden. Das Brückengeländer auf dieser Seite wird erst in den kommenden zwei bis drei Wochen installiert sein. Zudem muss noch der Rückbau der Behelfsbrücke erfolgen.
Zuletzt muss noch der Abschnitt des Radwegs Berlin – Kopenhagen fertiggestellt werden, der unter dem Bauwerk verläuft. Ab April 2024, so hieß es bei der Brückenfreigabe, könnten ihn die Pedaltreter nutzen.
Die Gesamtkosten werden weiter mit rund 20 Millionen Euro angegeben. Davon würden ungefähr 15 Millionen für die neue Brücke und die Behelfsumfahrung aufgewendet sowie etwa fünf Millionen vom Leitungsbetreiber für die über drei Dutzend Kabel, rechnete das Wasserstraßen-Neubauamt akribisch vor. Das Land Berlin habe die gesamten Herstellungskosten für die neue Brücke übernommen und sich zur Hälfte an den Kosten für die Behelfsumfahrung beteiligt. Die andere Hälfte trage die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und zahle einen sogenannten Vorteilsausgleich für die neue Überführung, die im Eigentum des Bundes verbleibe.
Noch spannender als die Auflistung wer was bezahlt ist die Frage, ob das Geld reicht. Joachim Puls, Geschäftsführer des Bauträgers Via Structure Berlin, ließ in seiner Rede Zweifel daran erkennen. Er erwähnte die Bauvorbereitungen und Baubeginn mitten in der Corona-Pandemie, als Lieferketten brüchig geworden seien.
Und dann, als das Virus einigermaßen beherrschbar erschien, folgte der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Die ersten Monate des vergangenen Jahres seien sehr schwierig gewesen, sagte Joachim Puls. Trotzdem sei das Werk wie vorgesehen vollendet worden. Aber, auch das wurde bei seiner Rede deutlich, wohl nicht ohne finanzielle Mehraufwendungen.
Gerd Knappe, Dezernatsleiter Management Kreuzungsbauwerke bei der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, skizzierte von der Tegeler Brücke ausgehend, eine Bestandsaufnahme häufig sanierungsbedürftiger Infrastruktur. Die bisherige 70 Jahre alte Überführung hätte weniger wegen ihres Alters, aber wegen ihrer Belastung abgetragen werden müssen, erklärte er. Ähnliches gelte für viele solcher Bauwerke. Als sie geplant wurden, wäre der Straßenverkehr noch nicht so stark und die Fahrzeuge leichter gewesen. Sie müssten deshalb ersetzt werden.
Mit wem und dass darin eine große Gefahr lauere, war wiederum Rolf Dietrich wichtig herauszustellen. Die Personaldecke in den zuständigen Behörden der Bezirksämter sei viel zu gering. Der Mangel an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könne aber „zum bestimmenden Faktor werden“. Übersetzt: Wenn die Verwaltungen ausgedünnt sind, kann es mit vielen Bauvorhaben nicht vorangehen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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