„Wir machen alles frei Schnauze“
Webradio Top 100 Station sendet aus dem Flughafengebäude
Tower neun des Flughafen Tempelhofs sieht von außen unscheinbar aus. Anfang des Jahres ist dort der Internetsender Top 100 Station eingezogen. Ein kleines eingespieltes Team produziert hier ein Programm, das Fans in ganz Deutschland findet.
„Top 100 Station war das erste Webradio in Deutschland überhaupt und ein Gegenmodell zu anderen Sendern“, erzählt Moderator Fabian Maier (46). In einem kleinen Dachgeschoss in Zehlendorf fiel vor zehn Jahren der Startschuss. Zur großen Jubiläumsshow vor wenigen Wochen besuchte unter anderem die Berliner Hip-Hop-Gruppe Culcha Candela das Radioteam und feierte mit. Trotz der heute großen Konkurrenz durch Musikstreaming-Dienste wie Spotify konnte sich der kleine Sender behaupten. 700 000 Menschen zählen zum weitesten Hörerkreis. Monatlich werden mehr als zwei Millionen Zugriffe auf den Live-Stream gezählt. Die meisten Hörer stammen aus Nordrhein-Westfalen und Bayern.
„Am Anfang hatten wir drei Hörer – und zwei davon waren wir selbst“, blickt Redaktionsleiterin Nina Landes zurück. Heute ist Top 100 Station fest in der deutschen Radiolandschaft etabliert. Im Hauptprogramm werden die aktuellen deutschen Charts gespielt. Dazu existieren noch zehn weitere Programme, die zum Beispiel ausschließlich 70er-Dancemusik oder Songs aus den 80ern bringen. „Unser Programm ist handgemacht und hat einen ganz sauberen und klaren Klang“, sagt Fabian Maier. Er selbst ist erst seit 2017 bei Top 100 Station, aber schon ein Radio-Veteran. Seine erste Live-Sendung moderierte er 1989 ausgerechnet in der Nacht des Mauerfalls. Er arbeitete bei Radio Fritz, war Programmchef bei Radio Paradiso und hatte zehn Jahre lang bei 105‘5 Spreeradio seine eigene Nachmittagssendung. Irgendwann wollte er sich aber verändern. „Der Erfolgsdruck bei den großen Sendern ist enorm. Ich habe dort viele Kollegen mit Burnout nach Hause gehen sehen“, schildert Maier seine Erfahrungen. Bei Top 100 mit seinem kleinen Mitarbeiter-Team sei dies jedoch anders, auch weil hier nichts vorgeschrieben werde.
„Wir können alles frei nach Schnauze machen und sind deshalb authentisch“, sagt Nina Landes, die nach einem Germanistik-Studium 2005 als Praktikantin bei 104.6 RTL anfing und 2006 zum Berliner Rundfunk wechselte. Mit ihrem heutigen Ehemann Frank Landes sowie Produzent und Musikchef Patrick Kretschmer gründete sie den Internetsender zwei Jahre später. Alle moderieren, kümmern sich aber auch um die Recherche, Sendeplanung und die Einladung von Gästen. Das Programm wird in drei Studios produziert. Für den neuen Standort am Columbiadamm haben sie sich ganz bewusst entschieden. Mit der Sigmund-Freud-Privatuniversität, die auf derselben Etage liegt, hat das Radioteam den Studiengang „Medien und Digitaljournalismus“ entwickelt. Dabei können sich die Studenten im Studio gleich Berufspraxis aneignen. „Sie sammeln und schneiden O-Töne, führen Interviews mit Künstlern, bringen Ideen in die Sendung ein, schreiben und sprechen Moderationstexte“, erklärt Nina Landes. Demnächst sollen die Studenten mit einem eigenen Podcast zu hören sein.
Günstig für den durch Werbung finanzierten Sender ist außerdem, dass direkt gegenüber die Columbiahalle liegt. Laut Fabian Maier arbeite man an einer Kooperation, um die dort auftretenden Künstler künftig vor ihren Konzerten für Interviews ins Studio zu bekommen. „Es wird nie langweilig“, so Maier. Was den Erfolg ausmacht? „Die Leute hören uns gerade deswegen, weil sie von dem vielen Gequatsche morgens genervt sind“, sagt Nina Landes mit einem kleinen Seitenhieb an die Radiokonkurrenz. Wer mehr über Top 100 Station erfahren möchte: http://www.top100station.de/.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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