Tiere und Tyrannen: Der Zoo erzählt seine Geschichte in einer Ausstellung

Heikle Mission: Zoodirektor Andreas Knieriem (l.) erlaubte dem Historiker Clemens Maier-Wolthausen eine Aufarbeitung der Geschichte – ohne Tabus. | Foto: Thomas Schubert
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Tiergarten. Von der Gründung bis zum Abgrund: Im Antilopenhaus finden Besucher des Zoos eine neue Ausstellung zur Geschichte der Berliner Traditionseinrichtung. Ihr Mittelpunkt: Arisierung und Judenhetze im Dritten Reich.

1843, als Charlottenburg und Berlin noch nicht aneinandergewachsen waren, da lag das Tor des Zoos im Wald. Kaum mehr als 100 Geschöpfe in ebensowenig Arten konnte das bildungsbürgerliche Publikum bestaunen. 2016 sind es jährlich über drei Millionen Besucher im nach eigenen Angaben artenreichsten Zoo der Welt.

Und dazwischen? Da liegen 172 Jahre Geschichte mit tierkundlichen Sternstunden und finsteren Kapiteln. Geschichte, die sich Zoo-Besucher jetzt im historischen Antilopen- und Giraffenhaus erschließen können im Rahmen einer neuen Dauerausstellung, bei der eines gewährleistet sein sollte: ein Höchstmaß an Objektivität.

Vieles umgekrempelt

Mit seinen zweieinhalb Jahren als Zoodirektor ist Andreas Knieriem noch ein ganz junger Kopf der Geschichte. Aber in seiner kurzen Dienstzeit hat er schon mehr umgekrempelt und entstaubt, als manche Vorgänger es in Jahrzehnten vermochten. Und das Entstauben ist bei der Entstehungsgeschichte der Ausstellung wörtlich zu verstehen.

Denn als erster Direktor überhaupt gab Knieriem den Schlüssel für das Archiv aus der Hand – eine Räumlichkeit, die der Historiker Clemens Maier-Wolthausen als Gestalter der Ausstellung in völlig vermülltem Zustand fand. Keine Quelle, sondern ein Endlager des Wissens. Jetzt sind die Ordner und Akten sortiert, die Essenz hat Maier-Wolthausen auf Schautafeln übertragen, aus deren Gestaltung sich der Zoo bewusst heraushielt.

Aber so viel konnte Direktor Knieriem vor der Eröffnungverraten: „Das Unangenehme liegt bei unserer Ausstellung in der Mitte.“ Gemeint ist der aus heutiger Sicht schockierende Rechtsruck unter Direktor Lutz Heck in den 30er-Jahren.

„Es war die Arisierung einer der wertvollsten Instanzen Berlins“, sagt Beiratsmitglied Wolfgang Benz, ein kritischer Begleiter des Ausstellungsprojekts. Nun war eine Anpassung an die nationalsozialistischen Machthaber zu der Zeit ein durchaus übliches Phänomen. „Aber hier war es ein freudiges Anschmiegen“, beschreibt Benz den „vorauseilenden Gehorsam“. Jüdische Aktionäre wurden enteignet, nichtdeutsche Kinder vom Spielplatz verbannt, als andere Einrichtungen noch zögerten. So respektvoll man mit Tieren umging, so gnadenlos verfuhr man mit Menschen.

Neuaufbau nach dem Krieg

„Die Nazi-Hybris ist ebenso Teil des Zoos wie Eisbär-Kuscheln“, fasst es Maier-Wolthausen zusammen. Die Konsequenz ist bekannt: schwerste Kriegsschäden. Ein Neuaufbau mit nur 91 Tieren, die das Bombardement bis 1945 überlebten. Und dann folgen wieder hellere Stunden. Auch sie kann der Besucher in der Schau miterleben – die Heilung der Kriegswunden unter der Regie von Katharina Heinroth. Ein Schnappschuss-Foto zeigt sie grinsend mit einem aufsässigen Äffchen.

Über 172 Jahre Geschichte passen auf die Abfolge der Tafeln, untergebracht in einem 130 Quadratmeter großen Foyer. Viel Text, ein paar historische Bilder, eingeklammert unter dem Titel "Berliner Zoogeschichte – In Zeiten von Monarchie, Diktatur und Demokratie".

Und wer mit schriftlicher Frontalvermittlung nichts anfangen kann, der wird sich vielleicht über etwas freuen, das Andreas Knieriem zur Ausstellung kurz erwähnte: Im Zoo-Archiv lagern auch historische Filmaufnahmen – bislang fehlte die Zeit, sie zu sichten und zu bewerten. Ob sie ebenfalls noch Einzug halten ins Antilopenhaus? Ungewiss. Dabei könnte bewegte Geschichte bewegte Bilder gut vertragen. tsc

Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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