UNSER AUSFLUGSTIPP
Von Maulbeeren, Filmstars und Weltpolitik: Streifzug durch das Villenviertel Neubabelsberg

Die Villa Urbig, 1915 von Ludwig Mies van der Rohe erbaut, war unter anderem Residenz Churchills während der Potsdamer Konferenz. | Foto: Michael Vogt
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  • Die Villa Urbig, 1915 von Ludwig Mies van der Rohe erbaut, war unter anderem Residenz Churchills während der Potsdamer Konferenz.
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Neubabelsberg war schon immer ein besonderer Ort. Seit 1765 lieferten hier Maulbeerplantagen das Futter für die königlichen Seidenraupen. Mit der Reichsgründung von 1871 legten die Architekten Wilhelm Böckmann und Hermann Ende eine Villenkolonie für Wohlhabende an. Heute gerät ein Spaziergang in den Straßen zwischen S-Bahnhof Griebnitzsee und dem Park Babelsberg zum spannenden Streifzug durch die bewegte wirtschaftliche, kulturelle und politische Geschichte Deutschlands.

Einige Meter vom S-Bahnhof entfernt, an der Karl-Marx-Straße 2 fällt eine mächtige Villa ins Auge. Erbaut vom Verleger Carl D. Müller-Grote ist sie heute Sitz der Friedrich-Naumann-Stiftung. Im Juli 1945 diente sie Harry S. Truman als Unterkunft während der Potsdamer Konferenz, von hier ergingen die Befehle zum Abwurf der Atombomben auf Japan. Nicht weniger geschichtsträchtig ist die Villa Urbig in der Virchowstraße 23. Ludwig Mies van der Rohe erbaute sie 1915 im Auftrag des Mitinhabers der Deutschen Bank Franz Urbig. Während der Potsdamer Konferenz residierten hier Winston Churchill und Clement R. Attlee, heute ist sie im Besitz des SAP-Mitgründers und Potsdam-Mäzens Hasso Plattner. Von Stalin, dem Gastgeber der Potsdamer-Konferenz wird berichtet, dass er in seiner von edlem Mobiliar komplett freigeräumten Unterkunft, der von Alfred Grenander erbauten Herpich-Villa in der Karl Marx-Straße 27, auf einem Feldbett nächtigte – aus Angst vor Anschlägen oft in verschiedenen Zimmern. Nebenan in der Villa von Arnim (Nummer 25) wurde zwei Jahre vorher von den Wehrmachtsoffizieren von Tresckow und Olbricht die Operation Walküre (Hitlerattentat) geplant. Längst hatte da die Nähe zu den Babelsberger Filmstudios dem Viertel schon den Spitznamen „Deutsches Hollywood“ eingebracht. Filmgrößen wie Brigitte Horney (Johann-Strauß-Platz 11) und Marika Rökk (Domstraße 28) wohnten in den 1930er Jahren in Häusern jüdischer Industrieller, die zuvor von den Nazis enteignet worden waren.

Im Gästehaus der UFA, der Villa Lademann in der Karl-Marx-Straße 66, gaben sich Stars wie Marlene Dietrich, Hans Albers oder Heinz Rühmann die Klinke in die Hand. Das schlossähnliche Gebäude wurde 1895 von Gustav Lilienthal erbaut, einem Bruder des legendären Flugpioniers. So viele Geschichten gäbe es noch zu erzählen – wie die des Orientalisten Friedrich Sarre, der ein persisches Löwenfries in seine Villa in der Spitzweggasse 6 einarbeiten ließ. Oder die des Metropolis-Hauptdarstellers Gustav Fröhlich, der in der Karl-Marx-Straße 8 wohnte. Seine Geliebte, die Schauspielerin Lida Baarová, soll er dort auf der Straße in flagranti erwischt haben – mit einem gewissen Joseph Goebbels. Aber das ist wohl nur ein Gerücht, wenn auch ein recht hartnäckiges.

Anfahrt zum Streifzug: Vom Alexanderplatz ist mit der S7 der Bahnhof Griebnitzsee in 37 Minuten erreicht.

Autor:

Michael Vogt aus Prenzlauer Berg

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