Ein musikalisches Wohnzimmer
Horenstein – Zuhause für Schallplatten- und Klassikfans

Wenn Wolf Zube über Klassikmusik und Schallplatten spricht, wird es merklich emotional.  | Foto: Matthias Vogel
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In Unmengen von Klassik-Schallplatten stöbern, sich eine auflegen lassen, dazu einen Kaffee trinken, so schwarz wie Vinyl. Im Horenstein in der Fechnerstraße 3 ist das noch möglich. Bis Ende des Jahres, dann endet der Mietvertrag und Inhaber Wolf Zube muss umziehen.

Mitte Oktober ist der bekannte Dirigent Wladimir Jurowski zu Gast. Wolf Zube, 68 Jahre alt, wird mit ihm vor einem kleinen Publikum über die Geschichte der Musikaufzeichnungen diskutieren. "Heute kannst du überall klassische Musik hören, egal ob auf dem Klo oder der Zugspitze. Das war früher ja nicht so. Wir werden beispielsweise darüber sprechen, wie Tonträger die Entstehung neuer Musik beeinflussen." Bei der Gelegenheit könnte es sein, dass Jarowski eine neue Nadel für den Arm seines speziellen Schellack-Plattenspielers anfragt. Weil der russische Dirigent alte Werke am liebsten in der Originalversion hört, hat er sich das Gerät von Zube anfertigen lassen.

Möbel der 50er, Musik aus allen Zeiten

Hier im Horenstein, benannt nach Jascha Horenstein – in Zubes Ohren der wichtigste Dirigent überhaupt –, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Zube hat ein Faible für das Möbeldesign der 50er- und 60er-Jahre. Wer hier seinen Kaffee trinkt, nimmt auf Schemeln, Sitzbänken und an Tischen aus dieser Zeit Platz. Hier und da steht eines dieser uralten beige-braunen Radios mit den zweifingerbreiten Radiostationstasten, auch ein Grammophon sticht ins Auge. Eine Regalwand ist prall gefüllt mit Musikliteratur. Bilder von Komponisten und Dirigenten hängen an der Wand. Und Platten! Platten, wohin das Auge sieht, von der Renaissance bis zur Moderne, von der Gregorianik bis hin zu John Cage findet der Klassik- und auch Jazz-Freak alles. Zubes Auswahl und Fachverständnis sind weltberühmt. "Neulich kam ein Chinese rein, hat hier alles fotografiert und mir einen Artikel eines chinesischen Online-Magazins über mich und meinen Laden gezeigt. Der Autor war offenbar in New York, London, Paris und sonst wo auf der Suche nach guten Angeboten. Sein Fazit: Nirgendwo sei es besser als bei mir." Zube grinst, aber er ist sich seines Standings durchaus bewusst, das er sich in den vergangenen 14 Jahren erarbeitet hat.

Ende des Jahres ist hier Schluss

Wolf Zube hatte sich damals getraut, noch einmal beruflich umzusatteln. Als Musikkritiker und in der Sozialarbeit tätig, habe es damals einige private Gründe dafür gegeben. Weil er sich ohnehin Zeit seines Lebens mit Schallplatten beschäftigt hatte, es sich abzeichnete, dass der in der Versenkung verschwundene Tonträger sein Revival feiern würde und er zusammen mit einem Partner die Idee „Musik und Café“ für erfolgversprechend hielt, wagte er den Schritt und gründete das „Horenstein – Klassikschallplatten und Kaffee“. Nach etwa zweieinhalb Jahren kristallisierte sich heraus, dass die Schiene mit dem Vinyl lief, das Café eher nicht, also stieg der Partner bald aus. „Aber Kaffee gibt es immer noch“, sagt Zube und lacht. Vor zehn Jahren hatte eine Investitionsgesellschaft das Mehrparteienhaus an der Fechnerstraße 3 gekauft. Ende 2018 läuft Zubes Mietvertrag für den Laden im Erdgeschoss aus, dann ist Schluss. Alles wird saniert und in Eigentum und Gewerbeeinheiten umgewandelt, Mietwohnungen wird es keine mehr geben. "Eine typische Berliner Geschichte", sagt Wolf Zube. Er ist traurig, ein Stammkunde, der gerade im Laden ist, auch. Beide sind sich einig: „Das hier ist für viele ein weiteres Zimmer ihres Zuhauses. Sozusagen das musikalische Wohnzimmer.“

„Sang- und klanglos will ich hier nicht von der Bühne verschwinden“

Für ihn geht es zwar weiter, er zieht in einen Laden in der Fechnerstraße, auf der anderen Seite der Uhlandstraße um. „Aber das kann man nicht vergleichen. Die Räumlichkeiten dort sind viel kleiner und haben eine ganz andere Atmosphäre.“ Bis es so weit ist, möchte Zube noch ordentlich auf die Pauke hauen. „Sang- und klanglos will ich hier nicht von der Bühne verschwinden“, sagt Zube. Anfang September hat er sein Geschäft in einen Musiksalon verwandelt. Alexei Lubimov, Alexander Melnikov (beide Klavier) und Violinist Stefano Mollo spielten Werke von Schubert, Chopin und Debussy. Das Horenstein ist eben keine „typische Berliner Geschichte“, sonst würden diese Musiker dort nicht auftreten. Zube hat die Sammlung seiner Kontakte aus seiner Zeit als Musikkritiker gepflegt und erweitert wie seine private, stattliche Schallplattensammlung. Als er den Musiksalon plante, rief er Alexander Melnikov an und der sagte zu. Bot sich gerade an, am Vorabend gab er ein Solokonzert im Kammermusiksaal der Philharmonie. Kurios: Auch für das Mini-Konzert im Horenstein musste es für Melnikow der private Flügel, ein „Èrard“ aus Paris, Baujahr um 1885 herum, sein. „Was dann ablief, war wie ein Film“, berichtet Zube: „Eine Spezialfirma transportierte den Flügel für diese paar Stunden in einer Nacht- und Nebelaktion in meinen Laden. Ich saß auf dem Beifahrersitz wie ein kleiner Schuljunge und konnte es nicht fassen.“ Jedenfalls war der Musiksalon ein voller Erfolg, die nächste Veranstaltung ist der Abend mit Wladimir Jurowski. Zube schlüpft dann in die Rolle des Moderators. „Es geht immer um Schallplatten“, sagt er. Dirigent Kurt Sanderling war bereits zu Gast. Der 2011 verstorbene Sanderling hatte sein Gefühl zum Horenstein damals so beschrieben: „Es ist, als ob man nach 30 Jahren wieder nach Hause kommt.“

Zube hofft doch noch ein wenig auf eine Verlängerung des Mietvertrages. Oder darauf, dass er noch eine Alternative zur neuen Adresse findet. Ein Laden, in dem sich das Flair des Originals in etwa wieder herstellen lässt. So oder so bleibt aber unverrückbar: Klassische Musik kann man heutzutage sicher überall und zu jeder Zeit hören. Auf dem Klo oder der Zugspitze. Aber nirgendwo authentischer, gemütlicher und kompetenter begleitet als in Wolf Zubes Horenstein.

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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