Adlershofer Archiv bewahrt mehr als 200 Jahre Universitätsgeschichte
Adlershof. Ein unscheinbarer Flachbau am Rand der Wissenschaftsstadt an der Wagner-Regeny-Straße 5. Hier hat das Archiv der Humboldt-Universität seinen Sitz.
„Wir sind quasi das Gedächtnis der Berliner Universität, uns gibt es offiziell aber erst seit 1955“, erklärt Archivleiterin Aleksandra Pawliczek. Das Archiv ist erst vor einem Jahr in den Adlershofer Neubau gezogen, der rund vier Millionen Euro gekostet hat. Auch erste Pläne für einen Erweiterungsbau gibt es schon. Vorher war es in Kellern von Universitätsgebäuden und zuletzt im Landesarchiv am Eichborndamm untergebracht. Die Archivchefin, eine promovierte Historikerin, hat selbst an der Humboldt-Universität studiert.
„Wir haben hier Archivgut aus der Zeit seit der Eröffnung der Berliner Universität 1810, außerdem von Vorgängerhochschulen und der Charité. Wir haben rund zehn Kilometer Akten in den beiden Magazinsälen. Sie werden bei 18 bis 20 Grad und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit aufbewahrt, damit sie der Nachwelt erhalten bleiben“, erläutert Aleksandra Pawliczek.
Die Akten, dass sind unzählige Protokolle von Senatssitzungen, Vorlagen für den Rektor und Briefe von und an Behörden, Dozenten und sogar Studenten. Historisch Interessierte nehmen auch gern Einsicht in die Abgangsbücher der Universität. Noten der Absolventen finden sich darin allerdings nicht. „Es wurde nur ein erfolgreiches Studium bescheinigt, Prüfungen gab es nur in wenigen Bereichen, darunter an der medizinischen Fakultät“, erklärt Archivleiterin Pawliczek. Bewahrt werden im Archiv unter anderem die Abgangsbescheinigungen von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) und Karl Marx (1818-1883). Der Komponist hatte als junger Mann unter anderem Geografie und Zoologie studiert, der Philosoph ebenfalls Geografie sowie Kriminalrecht und Kirchenrecht. Von Marx findet sich allerdings nur eine Kopie im Archivbestand nebst einer Erklärung von 1961. Darin wird bescheinigt, dass das Original in das Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED abgegeben wurde. „Das Original befindet sich heute im Bundesarchiv, wir bemühen uns um Rückführung“, erklärt Aleksandra Pawliczek.
Die Bestände werden regelmäßig von früheren Studenten oder ihren Erben ergänzt. Sie liefern Promotionsurkunden, Studienbücher und sogar komplette Schriftwechsel ab.
Wer ein berechtigtes Interesse – zum Beispiel für Forschung oder Berichterstattung – nachweist, kann Akten einsehen. Dabei gilt das Archivgesetz des Landes Berlin, bei personenbezogenen Akten müssen Schutzfristen beachtet werden. RD
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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