Bei den „Lettertypen“ wird gedruckt wie vor 100 Jahren – mit Vorlagen vom Computer
Adlershof. Wer durch die Türen des Backsteinbaus am Büchnerweg tritt, wähnt sich in einem Museum. Vor drei Jahren hat Schriftsetzer Daniel Klotz (46) die fast 100 Jahre alte Druckerei übernommen.
„Nach der Geschäftsaufgabe durch den Vorbesitzer drohte der musealen, aber funktionsfähigen Technik die Verschrottung. Ich habe schon als Kind in der Druckerei meines Vaters am Setzkasten gestanden und wollte die Technik unbedingt erhalten“, sagt Klotz.
Zuerst hatte der Inhaber einer modernen Digitaldruckerei den Griff in die Vergangenheit als Hobby gesehen. In monatelanger Arbeit wurde die 1924 gebaute Johannesberger Schnellpresse wieder in Gang gebracht. Vermutlich ist sie im deutschsprachigen Raum die letzte ihrer Art, die im Großformat A 0 (84x118 Zentimeter) drucken kann. Und Daniel Klotz hat eine Möglichkeit gefunden, auf den alten Maschinen mit nach modernen Verfahren hergestellten Druckvorlagen arbeiten zu können. Statt Handsetzkasten oder Setzmaschine können die Vorlagen für komplette Druckbögen auch mit dem Computer erstellt werden. „Wir haben einen für uns modifizierten Belichter, in dem ein Laserstrahl die Computervorlage in eine kunststoffbeschichtete Stahlplatte belichtet. Die Platte wird dann ohne Chemie einfach mit Wasser abgewaschen. Was belichtet wurde, bleibt, wie beim Buchdruck üblich, erhaben stehen und kann in die Druckmaschine montiert werden“, erzählt Daniel Klotz.
Da die Druckvorlagen am Computer erstellt werden, entfällt das mühevolle Abtippen an der Setzmaschine. Und viel leichter sind die Druckvorlagen auch. Während der Bleisatz für ein Buch mit 450 Seiten rund eine Tonne wiegen würde, kommen so nur wenige Kilogramm zusammen. Bücher sollen künftig nach dem historisch-modernen Verfahren öfter gedruckt werden. Inzwischen gibt es eine Zusammenarbeit mit dem Suhrkamp-Verlag. Geplant sind vorerst sieben Bücher, die extra neu gestaltet wurden und auf einer Original Heidelberger Zylinderpresse von Daniel Klotz gedruckt werden. Das erste Buch „Watten ein Nachlaß“ von Thomas Bernhard ist bereits fertig und erscheint im September.
Durch die digitale Herstellung der Druckvorlagen kann Daniel Klotz auch Schriftarten verwenden, die sich weder im Setzkasten noch in seiner Setzmaschine finden. Das fertig Gedruckte sieht aus und riecht wie ein Druck vor 100 oder 200 Jahren, denn Papier und Druckerschwärze haben sich kaum verändert.
Bei einer Visitenkarte lohnt sich die digitale Herstellung der Druckform allerdings kaum. Dann kommt bei Schriftsetzer Klotz der ursprüngliche Beruf durch und er greift zum Setzkasten.
Weil Klotz ein Faible für schöne Bücher hat, holt er sich auch in diesem Jahr die von der Stiftung Buchkunst prämierten „25 schönsten deutschen Bücher des Jahres 2016“ in seine Werkstatt. Am 22. Juli 10 bis 20 Uhr und 23. Juli 10 bis 17 Uhr werden sie in einer Ausstellung bei den "Lettertypen" am Büchnerweg 92 präsentiert. Außerdem können Besucher die historische Technik besichtigen und sich an einer Handdruckpresse selbst als Gutenberg-Jünger versuchen. Der Eintritt ist frei. RD
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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