Pfarrerin mit frischen Ideen
Maike Schöfer nutzt für ihre Arbeit Instagram und einen interreligiösen Podcast
„Ich dachte immer, ich passe nicht in den Pfarrberuf“, sagt Maike Schöfer. Doch da hat sie sich offenbar geirrt. Seit Anfang des Jahres ist die 33-Jährige Pfarrerin in der evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Adlershof mit rund 1650 Mitgliedern. Zuvor habe sie sich jahrelang „gemeindeheimatlos“ gefühlt und nie die richtige Umgebung gefunden, auch keine Vorbilder gehabt, wie sie erzählt.
Adlershof war ihr vorher nicht bekannt. Lediglich der Hochschul- und Start-up-Standort ist ihr ein Begriff gewesen. „Ich bin aber sehr froh, dass ich hier gelandet bin. Es klingt ein bisschen poetisch, aber die Herzen der Menschen sind hier so offen, das hat mich schon positiv überrascht.“ Aufgewachsen ist Maike Schöfer in Bremen. Sie stammt aus einer Arbeiterfamilie und hat nur knapp das Abitur geschafft. Mit 19 Jahren kam sie der Liebe wegen nach Berlin, wollte eigentlich Schauspielerin werden und jobbte in Casinos. Weil ihre Freundinnen aus akademischen Elternhäusern alle studierten, entschied sie sich, es selbst auch zu versuchen. So machte sie einen Abschluss zur Religionspädagogin an der Evangelischen Hochschulen Berlin und arbeitete anschließend sieben Jahre als Religionslehrerin in Potsdam. Dann absolvierte sie ein Vikariat in der Kirchengemeinde Am Lietzensee in Charlottenburg, bevor sie schließlich ihre Entsendungsstelle in Adlershof antrat. Um Pfarrerin werden zu können, wird normalerweise ein Theologiestudium benötigt. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) bildet da jedoch eine Ausnahme.
Rein äußerlich würde wohl niemand vermuten, dass Maike Schöfer Pfarrerin ist. Sie ist tätowiert und trägt ein Nasenpiercing. Außerdem trägt sie gern eine Lederjacke. Während ihrer Ausbildung hätten ihr ältere Pfarrerinnen Ratschläge gegeben, wie sie sich zu kleiden habe, berichtet sie. Auch sei ihr gesagt worden, dass sie auf Nagellack und bei Beerdigungen auf Kleidung mit auffallenden Farben verzichten soll. Daran gehalten hat sie sich nicht, auch weil es in ihrer Gemeinde offenbar niemanden stört. Privat geht Maike Schöfer gern über Flohmärkte und sammelt „religiösen Kitsch“ wie sie sagt. Außerdem feiere und tanze sie gern. Mit ihrem Mann und ihrem fünfjährigen Sohn wird sie künftig im Pfarrhaus gegenüber der Verklärungskirche wohnen. Geschätzt zwei bis drei Jahre wird es aber noch dauern, bis dieses saniert ist. Solange lebt die Familie in einer Wohnung nicht weit entfernt.
Religiöse Bildung schwindet
Bei ihrer Arbeit ist ihr aufgefallen, dass die religiöse Bildung immer weiter abnimmt, die christlichen Konfessionen vermischt werden. So bekomme sie immer noch Fragen gestellt, ob sie als Frau überhaupt Pfarrerin werden dürfe oder ob Sex vor der Ehe erlaubt sei. Aufklärungsarbeit und einen authentischen Einblick in ihren Alltag gibt sie auf ihrem Instagram-Kanal „ja.und.amen“, dem fast 25 000 Menschen folgen. Sie bezeichnet sich selbst als Feministin und macht sich für queere Menschen in der Kirche stark, veranstaltet auch queere Andachten. Es gebe einige marginalisierte Gruppen, die Diskriminierung erfahren hätten. „Gemeindemitglieder sind eher weiße Menschen aus bürgerlichen Milieus“, sagt Maike Schöfer. „Das zeigt, was schiefläuft in der Kirche.“ Ihr fehle die Vielfalt, denn Gott sei für alle da. „Eigentlich wünsche ich mir die Kirche als Werkstatt, wo alle mitschrauben können.“ Bei Gottesdiensten nutze sie selbst eine Sprache, die Geschlechtskategorien überschreite. So gendert sie und verwendet, wenn sie über Gott spricht, oft auch die weibliche Form. Für viele in der evangelischen Kirche sei schon das eine provokante Haltung, so ihre Beobachtung.
Digitale Pausen
„Es gibt immer noch sexistische Strukturen in unserer Kirche“, berichtet die Pfarrerin. Das Problem, als Frau in diesem Beruf respektiert zu werden, habe sie aber nicht mehr. Das sei auch ein Verdienst ihrer Vorgängerin Dorothea Quien, die mehr als drei Jahrzehnte Pfarrerin in der evangelischen Kirchengemeinde Adlershof war und ihr mit Rat und Tat zur Seite steht. Ihre Gemeinde sei außerdem sehr unterstützend, wenn sie im Internet wieder einmal massiv beleidigt wird. „Ich bekomme laufend Hassnachrichten.“ Vor allem werde sie aus der christlich-fundamentalistischen Ecke und von Menschen mit rechtem Gedankengut und queerfeindlichen Ansichten ins Visier genommen. „Das beeinflusst mich schon“, gibt sie zu. Manchmal nehme sie sich deshalb ganz bewusst digitale Pausen. „Besonders schlimm finde ich, wenn mir mein Glaube und meine Kompetenzen im Bereich der Theologie und des Predigens abgesprochen werden.“ Anderes sei dagegen total absurd. „Mir wurde auch schon unterstellt, ich sei vom Satan.“
Besonderer Podcast
In den sozialen Medien aktiv zu sein, bereut sie dennoch nicht, dort erhält sie auch sehr viele positive Rückmeldungen. Seit 2021 ist Maike Schöfer auch an einem ganz besonderen Projekt beteiligt, dem interreligiösen Podcast „331 – 3 Frauen, 3 Religionen, 1 Thema“ in Kooperation mit der Stiftung „House of One“, die in Berlin ein Haus mit einer Synagoge, einer Kirche und einer Moschee unter einem Dach errichtet. Jeden zweiten Donnerstag erscheint eine neue Folge, in der Maike Schöfer als Christin, eine Muslima und eine Jüdin über ihren Glauben sprechen. Der Podcast wurde Ende April mit dem Deutschen PR-Preis 2023 ausgezeichnet. Die drei Frauen kannten sich vorher nicht. Inzwischen sind sie enge Freundinnen.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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