Es fehlen die Einnahmen
Antje Schrader schließt am 31. März die "Kostüm-Zauberei" und verkauft alles
In der Enge der Kostüm-Zauberei, Am Studio 20d, kann die Übersicht schnell mal verloren gehen. Obwohl bereits viele Kostüme verkauft sind, wirkt es immer noch ziemlich voll. Zwischen Barockkleidern, Western- und Piratenoutfits, Dirndln und Lederhosen, Faschings- und Tierkostümen wuselt Antje Schrader umher.
Aktuell hat sie sehr viel zu tun, denn sie muss am 31. März schließen. Bis dahin versucht sie, so viele Kleidungsstücke wie möglich unter die Leute zu bringen. Es ist fast so etwas wie ein Lebenswerk, das sich auflöst, denn Schrader hat etwa 90 Prozent der zwischenzeitlich mal bis zu 25 000 Kostüme selbst genäht. Noch im Frühjahr 2020 konnte sie sich nach eigener Aussage vor Aufträgen kaum retten. „Ich habe gedacht, das wird ein grandioses Jahr“, blickt sie zurück. Dann kam die Corona-Pandemie. Mit den Überbrückungshilfen eins und zwei der Investitionsbank Berlin schaffte sie es, trotz ausbleibender Einnahmen über Monate durchzuhalten. Sie hatte noch das Glück, dass der Vermieter Studio Berlin ihr bei den Mietzahlungen deutlich entgegenkam. Doch irgendwann habe einfach die Perspektive gefehlt. Kurz vor Weihnachten entschied sie sich dann zur Schließung. „Ich habe mehr als alles gegeben“, sagt sie. Einen Vorwurf mache sie allerdings niemandem.
Nur noch wenige Tage sind es, dann ist nach 13 Jahren Schluss. 2008 machte sich Antje Schrader mit der „Kostüm-Zauberei“ selbstständig. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits viel Erfahrung. An der Kunsthochschule Weißensee studierte die heute 62-Jährige einst Mode. Später arbeitete sie als Kostümbildnerin bei TV-Produktionen und im Kostümfundus des DDR-Fernsehens. Weil einige der zum Teil bis zu 60 Jahre alten Kostüme nicht mehr in gutem Zustand waren, wurden immer wieder Reparaturen notwendig. Bei dieser Tätigkeit stellte Schrader fest, dass sie sehr gut Kostüme nähen kann.
Zum Konzept ihrer Kostüm-Zauberei zählte immer, spezielle Kundenwünsche umzusetzen. So nähte sie beispielsweise ein Cäsar-Kostüm für einen Mann, der aufgrund seiner Größe von zwei Metern eine Spezialanfertigung benötigte. Im Laufe der Jahre konnte Schrader viele Stammkunden gewinnen. Ihre Kostüme waren gefragt bei Geburtstagen, Hochzeiten und Oktoberfesten, beim Rokoko-Fest im Tierpark und vielen weiteren Events. Ein vergleichbares Geschäft sei in ganz Deutschland nicht zu finden. In ihrem Berufsleben arbeitete sie mit zahlreichen Schauspielern und Moderatoren zusammen, aber „normale Menschen“ einzukleiden, habe ihr immer am meisten Spaß gemacht. „Dir springt hier nur Glück und Freude entgegen. Es gibt viele, die sagen: ‚Das ist meine Zauberwelt!‘“, berichtet sie.
Bestätigen kann das Kerstin Malina, die die Kostüm-Zauberei 2013 erstmals betrat. Freunde wollten sie damals auf der Suche nach einem Hochzeitskleid als Beraterin dabeihaben. Es gefiel ihr so gut, dass sie sich seitdem zu jeder Geburtstagsfeier verkleidet. Heute unterstützt sie Schrader als freiwillige Helferin. Warum die Kostüm-Zauberei ihren Namen zurecht trägt, weiß sie nur zu gut. „Einmal kam hier ein Geschäftsmann mit Anzug und Aktentasche rein. Er suchte nach einem Kostüm für eine Herr-der-Ringe-Mottoparty, hatte darauf aber gar keinen Bock und war total genervt. Dann wurde er als Legolas (Charakter aus der Film-Trilogie, Anm. d. Red.) eingekleidet und war auf einmal begeistert.“ Der Mann sei durch diese Verwandlung regelrecht verzaubert worden. Für sie war das ein Schlüsselerlebnis. „Das ist hier etwas ganz Besonderes. Ich bin unendlich traurig“, sagt sie zur Schließung. Auch Maria Rühmann, die ebenfalls freiwillig hilft, wird diesen Ort vermissen. Sie habe sich allerdings schon einige Kostüme für ihre Familie gesichert und jetzt im heimischen Keller selbst eine kleine Kostüm-Zauberei, wie sie erzählt.
Wenn Ende des Monats der Mietvertrag ausläuft, muss Antje Schrader endgültig raus. Wer sich auf den letzten Drücker noch etwas sichern möchte, kann Montag bis Freitag zwischen 10 und 16 Uhr unter Telefon 0152/51 97 68 92 einen Einzeltermin vereinbaren. Für die Zeit danach hat die Chefin noch keine Pläne. Sie wolle die Ereignisse erst einmal sacken lassen. Eine Rückkehr zum Fernsehen als Kostümbildnerin schließt sie aus. „Das ist nicht mehr meine Welt“, sagt sie.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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