Pilz statt Fleisch im Gyros
Das Start-up Nosh.bio will mit Innovation die fleischlose Ernährung voranbringen
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- Tim Fronzek im Labor seines Unternehmens Nosh.bio in der Schwarzschildstraße 6 in Adlershof. Der dort gezüchtete Fadenpilz kann unter anderem Fleisch in Burgern oder Ei in Mayonnaise ersetzen.
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Beim Gang durch die Räume seines Unternehmens im Technologiepark Adlershof holt Tim Fronzek plötzlich ein Paket hervor, in dem sich eine Portion Gyros befindet. Das Besondere daran: In diesem Gyros ist nicht ein einziges Stück Fleisch. Stattdessen besteht es aus einem Fadenpilz, den die „Nosh.bio GmbH“ züchtet.
Bei der weltgrößten Fachmesse der Ernährungswirtschaft und Nahrungsmittelindustrie, der Anuga in Köln, präsentierte der 43-Jährige das Gyros im Oktober erstmals einem größeren Publikum. Die Probanden konnten anschließend mit ihren Servietten abstimmen, wie es ihnen geschmeckt hat. Dem Gründer zufolge überzeugte das Pilz-Gyros geschmacklich eine überwältigende Mehrheit.
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- Dieses fleischlose Gyros aus dem gezüchteten Fadenpilz stellte Tim Fronzek im Oktober bei der Lebensmittelmesse Anuga vor. Das Publikum sei nach einem Geschmackstest überzeugt gewesen, erzählt er.
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Der Fokus von Tim Fronzek und seinem Team liegt darauf, Wege für eine fleischlose Ernährung zu finden. Dabei haben sie sich auf einen natürlichen Pilz spezialisiert, der bereits seit Jahrzehnten in der japanischen Küche zur Fermentierung eingesetzt wird und als Nahrungsmittel von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen ist. Dieser Fadenpilz bilde keine schädlichen Giftstoffe, sogenannte Mykotoxine, enthalte keine Chemikalien, kein Cholesterin, benötige im Gegensatz zu vielen anderen angebauten Lebensmitteln keine Ackerfläche, sodass sich 80 Prozent des Wasserverbrauchs und 70 Prozent der CO₂-Emissionen einsparen lassen. Er enthalte Ballaststoffe und beeinflusse positiv die Darmflora.
Tim Fronzek hat die Nosh.bio GmbH im Februar 2022 zusammen mit dem Brasilianer Dr. Felipe Lino, einem Mikrobiologen, gegründet. Der zweifache Vater und gebürtige Wiesbadener studierte Business Administration. Noch aus dem Studium heraus gründete er 2004 eine Firma mit vier Kommilitonen, die dann nach Berlin zog und heute unter dem Namen „rebuy“ rund 200 Millionen Euro Umsatz macht. Fronzek verließ das Unternehmen Anfang 2020, nachdem er 15 Jahre dort gearbeitet hatte. Diese Entscheidung habe er aus verschiedenen Gründen getroffen, wie er berichtet.
„Um Weihnachten 2019 hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass das Team um mich herum fachlich so stark ist, dass ich dachte, die schaffen das auch ohne mich.“ Er habe immer die Idee gehabt, noch einmal ein neues Unternehmen zu gründen. Inzwischen arbeiten 15 Mitarbeiter für Nosh.bio, das Anfang des kommenden Jahres innerhalb von Adlershof in ein anderes Gebäude umziehen wird. Der im Labor gezüchtete Fadenpilz benötigt laut Fronzek nicht viel zum Wachsen, nur eine Kohlenstoffquelle und ein bisschen Sauerstoff. Er wächst in einem Wasserbad in Bioreaktoren und kann innerhalb von zwei bis drei Tagen geerntet werden.

- Der Fadenpilz wächst in Bioreaktoren und kann innerhalb von zwei Tagen geerntet werden. Diese Behälter sind jedoch nur für Forschungszwecke gedacht.
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Durch die Länge der Faser erinnere der Pilz an Muskelgewebe, weshalb er sehr gut geeignet sei, um damit Fleischersatzprodukte herzustellen. Von der Konsistenz her erinnere er an Hühnerfilet. „Das ist viel näher dran an einem Stück Fleisch als alle Produkte, die Sie im Markt finden“, verspricht er. Das Pilzprotein klebe als Masse zusammen wie ein Stück Fleisch und sorge für ein angenehmes Gefühl beim Kauen. Das hätten potenzielle Kunden und Fachleute nach einem Testessen bestätigt. Dabei funktioniere der Fadenpilz nicht nur als Fleischersatz. Er könne auch Eier ersetzen in veganer Mayonnaise, in Backwaren wie Pancakes, sei außerdem bei veganer Eiscreme, als Verdickungsmittel im Joghurt und Bindungsmittel in Soßen einsetzbar. Unternehmen, die an dem Pilz interessiert sind, bekommen diesen von Nosh.bio als Paste, Pulver oder getrocknet als Stück. Eigene Produkte plant das Start-up nicht.
Aktuell kann die Adlershofer Firma fünf bis zehn Tonnen pro Woche produzieren. „Dadurch können wir jetzt auch industrielle Kunden beliefern“, sagt Tim Fronzek. Die erste offizielle Kooperation hat er mit dem italienischen Nahrungsmittelkonzern Barilla abgeschlossen, der mit dem Pilzprotein die Inhaltsstoffe seiner Produkte verschlanken möchte. Weitere Kunden dürfe er noch nicht preisgeben. Noch knapp ein halbes Jahr, schätzt er, dann werden die Zutaten seiner Firma in Produkten enthalten sein, die man im Supermarkt kaufen kann.
„Arbeiten, um das Klima zu schützen, ist das, was mich in meiner unternehmerischen Tätigkeit antreibt“, erzählt er. Das Verbrennen von fossilen Brennstoffen, die Art, wie sich die Menschen ernähren, das sei rücksichtslos. Dass es funktioniert, die Verhaltensweisen einfach so zu verändern, daran glaubt er nicht. „Wenn Sie den Menschen erklären, sie sollen kein Fleisch mehr essen, wird es nicht gelingen.“ Deshalb brauche es Innovationen. Mit seiner Firma wolle er beweisen, dass sich Fleisch ersetzen lässt und es trotzdem genauso schmeckt. „Tierfreie Proteine sollen mittelfristig die Hauptproteinquelle der menschlichen Ernährung werden, das ist unser Ziel“, betont Tim Fronzek.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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