Abriss trotz Erhaltungssatzung
Alt-Hohenschönhausener in offenbar aussichtslosem Kampf
Zu den Architekten der kleinen Siedlung nördlich des Malchower Wegs zählt Bruno Taut. Bis zur Jahrtausendwende stand das Ensemble unter Denkmalschutz, seitdem soll eine sogenannte Erhaltungsverordnung das Erscheinungsbild vor drastischen Veränderungen bewahren. Dennoch wird dort gerade ein intaktes Haus abgerissen.
Regina Gehling wurde 1946 in der Kleinhaussiedlung geboren, schon in den 1930er-Jahren hatten sich die Eltern dort niedergelassen. Zwischenzeitlich in der Welt unterwegs, zog es die Berlinerin gleich nach der Wende zurück in die alte Heimat, wo sie seither wieder wohnt. „Ich kenne die Siedlung mein ganzes Leben lang, aber so etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt Gehling. Mit einer Gruppe Anwohner steht sie vor dem Grundstück in der Paul-Koenig-Straße 13 und blickt bekümmert auf das Geschehen. Der Flachbau der Doppelhaushälfte – charakteristisch für etliche Häuschen im Kiez – liegt bereits in Trümmern. Arbeiter hämmern mit Spitzhacken auf Mauerreste ein.
Seit Monaten kämpfen die Bewohner der Kleinhaussiedlung in Alt-Hohenschönhausen gegen diesen Abriss – doch alle Proteste haben nichts genutzt. Für das Gebiet Paul-Koenig-Straße/Titastraße gilt seit 2001 eine Verordnung nach Paragraf 172 des Baugesetzbuches, die eigentlich deren typischen Charakter erhalten soll. Vor allem soll die „baulich und räumlich zusammenhängende Siedlungsstruktur bewahrt werden“, heißt es sogar im Erlass. Die besondere Bedeutung erlange die Siedlung durch das „homogene Orts- und Straßenbild und die Gesamtheit aller Elemente“.
Für die Bewohner bedeutet diese Satzung, dass sie sich quasi jede kleine Baumaßnahme genehmigen lassen müssen. Dabei geht es nicht nur um Abbrüche, Um- oder Anbauten. Vieles wird aus Gründen des Ensembleschutzes nicht erlaubt. Die Farbe der Dachziegel ist ebenso vorgeschrieben wie die Größe der Fenster.
Haben die Bauherren falsche Angaben gemacht?
Das alles scheint für Haus Nummer 13 nicht (mehr) zu gelten. Mit dem Abriss der Hälfte des Doppelhauses 13/14 hat der Eigentümer, die Deti gGmbH, gerade begonnen. Der private Kitabetreiber will dort und auf dem kriegsbedingt unbebauten Nachbargrundstück 12 eine Tagesstätte mit 44 Plätzen errichten. Anwohner Arne Frenz kann es nicht glauben. „Wir hatten hier über Jahre strenge Auflagen“, erzählt er. „Manche mussten Anbauten oder Gauben wieder entfernen lassen, wir durften kaum etwas an unseren Häusern ändern. Und jetzt geht sogar ein Abriss!“
Architektin Winnie Berger ist Sprecherin der Bürgerinitiative, sie zeigt einen dicken Ordner mit Einschreiben, Petitionen, Ein- und Widersprüchen, Beschwerden, Bescheiden von Ämtern und Anwälten. Die Bewohner haben Geld gesammelt, um sich Rechtsbeistand zu holen. So kam zuletzt noch ein Urteil des Verwaltungsgerichts hinzu. Danach ist offiziell alles rechtens. Doch Berger ist sicher: „Die Bauherren haben falsche Angaben bei dem Ämtern gemacht.“ Infolgedessen habe das Wohnungsamt der Haushälfte 13 die Bewohnbarkeit abgesprochen – Voraussetzung für die Abrissgenehmigung durch das Bauamt.
„Angeblich war das Haus jahrelang unbewohnt“, sagt die Architektin. „Das stimmt aber nicht, bis Ende Februar 2018 hat hier immer jemand gewohnt. Dann hieß es, Dämmung und Stromanschlüsse seien mangelhaft, es gebe keine Waschgelegenheit, eine Küche fehle. Das gab es alles, inklusive moderner Küchenzeile und Treppenlift.“ Sicherlich seien Fenster und Türen in einem sehr ursprünglichen Zustand, räumt sie ein. Aber das könnten doch keine Kriterien sein, dass Gebäude zum Nicht-Wohnhaus zu erklären und abzureißen. „Was das Haus unter Denkmalschutz und Erhaltungssatzung ausmachte, wird ihm jetzt zum Verhängnis.“
Eigentlich ein besonderes Haus
Die Entscheidung kritisiert auch Denkmalpfleger Jens Jordan von der Bauhaus-Uni Weimar. Der Experte hat sich an das Landesdenkmalamt gewandt und den geplanten Abbruch der Paul-Koenig-Straße 13 als „höchst bedauerlich“ bezeichnet. „Hier handelt es sich um ein im Wesentlichen unverändertes Objekt, wovon die Kubatur mit Wirtschaftsgebäude, Waschraum, Sanitäranlagen, Stall und bauzeitlichen Türen zeugt“, so Jordan. Er führt das Erhaltungskonzept ins Feld, in dem stehe, dass Haus 13 für eine vorbildliche Instandsetzung ausgewählt wurde und dafür Fördermittel verwendet werden sollten. „Als Auftakt der Reihenhäuser kommt dem Gebäude eine wichtige Bedeutung zu.“
Das sahen bislang alle Entscheidungsträger anders. Lichtenbergs Stadträtin für Stadtentwicklung, Birgit Monteiro (SPD), beruft sich auf ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln. „Wir haben etliche Petitionen und Briefe beantwortet, und jetzt hat uns sogar noch ein Gericht Recht gegeben.“
Es sei nicht maßgeblich, ob das Gebäude noch intakt sei. Ein Abriss im Erhaltungsgebiet könne zulässig sein, wenn die Anforderungen der Satzung erfüllt werden, sprich: wenn die städtebauliche Eigenart des Gebiets erhalten bleibt. Dazu gehören die typische Baustruktur und das optische Erscheinungsbild. Entsprechende Kriterien würde der Neubau der Kita erfüllen. Die Bausubstanz an sich genieße keine Schutzrechte.
Winnie Berger und die anderen Anwohner können diese Argumente nicht nachvollziehen. „Hier stehen doch eindeutig finanzielle Interessen und die politische Motivation, eine Kita zu bauen, denen der wohnenden Bevölkerung entgegen“, sagt die Architektin, die noch klarstellt: „Wir haben grundsätzlich überhaupt nichts gegen eine Kita in der Siedlung. Sie hätte von uns aus gern in das Bestandsgebäude ziehen können.“
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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