Schriftstellerin Annett Gröschner schreibt am Schlesischen Busch
Erst der Mauerfall im Herbst 1989 hat den ungewöhnlichen Dichterort möglich gemacht. "Der Verein Flutgraben, der den Grenzwachturm betreibt, hat mich eingeladen, hier einen Monat lang an meinen Texten zu arbeiten", erzählt die Magdeburgerin, die seit 30 Jahren in Berlin wohnt.
Gröschner war Ankleiderin im Theater, hat Germanistik studiert, für das Museum Prenzlauer Berg gearbeitet und ist seit 20 Jahren in erster Linie Autorin. Derzeit, und somit auch über dem Schlesischen Busch, arbeitet sie an ihrem neuen Roman, einer Familiengeschichte. Wenn sie gerade keine Worte zu Papier bringt, beobachtet sie vom Turm aus das Geschehen im zum Park gewordenen früheren Grenzgebiet. Am Wochenende kommen Familien zum Grillen, am Rand der Grünanlage verkaufen Dealer, die wegen der Polizei aus dem nahen Görlitzer Park abgezogen sind, ihr Haschisch. "Ich habe auch drei Bänke im Blick. Sie glauben gar nicht, wie viele Möglichkeiten es gibt, auf einer Bank zu sitzen. Im Park sind auch viele Flaschensammler unterwegs. Das zeigt, wie sich die Armut in unserer Stadt ausbreitet", sagt Annett Gröschner.
Eigentlich ist die Tür zum Turm verschlossen, wenn die Dichterin schreibt. Trotzdem klopfen immer wieder Touristen an und wollen mit ihr über die Mauer reden. "Ich kenne Männer, die als Soldaten an der Grenze waren. Vielleicht lerne ich ja noch einen Offizier kennen, der hier am Schlesischen Busch eingesetzt war und mir etwas über seine Motive zum Dienst an der Grenze berichtet", meint sie. Das müsste aber schnell gehen, denn Gröschners Aufenthalt im alten Wachturm endet am 17. August. Der Familienroman, in den vielleicht auch einige Erlebnisse vom Schlesischen Busch einfließen, soll Ende 2015 erscheinen. Wer sehen will, welchen Ausblick Annett Gröschner in den letzten vier Wochen hatte, kann das jedes Wochenende tun. Am Sonnabend und Sonntag ist der Turm von 13 bis 17 Uhr für Besucher geöffnet.
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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