Wie Harald Moritz durch die Wende zur Politik kam
Moritz arbeitete in den 80er-Jahren als Kfz-Mechaniker in der Autowerkstatt im VEB Steremat gleich um die Ecke. "Da gab es zwar nicht viel zu tun, dafür nervten Vorgesetzte aber mit gesellschaftlicher Arbeit der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische-Freundschaft", erinnert sich Harald Moritz. Da hat er schnell gekündigt und später dann in einer privaten Autowerkstatt angefangen.
Gesellschaftliche Arbeit leistete er auch, allerdings nicht im Sinn des Staates DDR. Regelmäßig war der heute 57-Jährige bei den Sonntagsgesprächen des fast schon legendären Pfarrers Werner Hilse in der Bekenntniskirche an der Plesser Straße dabei. Schon als Schüler hatte ihn die kirchenfeindliche Haltung der Behörden geärgert. Immerhin war er der Sohn eines Pfarrers. Als die Stasi ihrem Friedenskreis "Wühlmäuse" in Treptow auf die Pelle rückte, zogen die Regimegegner in die Christuskirche nach Oberschöneweide um.
Als 1989 in der DDR Wahlen anstanden, gehörte Harald Moritz zu denen, die Wahlvorständen beim Zählen auf die Finger schauten. Im von ihm beobachteten Wahllokal gab es bei 478 Stimmen 43 Gegenstimmen. "Wir haben bis zu 20 Prozent Gegenstimmen beobachtet, die dann im offiziellen Wahlergebnis gefälscht worden sind", erinnert sich Moritz.
Als die Demos gegen den Wahlbetrug starteten, hatte die Stasi Harald Moritz auf dem Kieker, wie der Berliner sagt. Während er tagsüber an den Autos schraubte, stand ein Wartburg mit vier weniger fleißigen Stasimännern vor der Firma. "Die dachten wohl, ich würde zur Demo gehen und sie könnten mich dann festnehmen", meint Moritz. Der drehte den Spieß um. Er hatte sich die Autonummer notiert, ging zum nächsten Polizeirevier und äußerte den Verdacht, dass die Unbekannten eine Straftat planen könnten.
Als es mit der DDR zu Ende ging, war Moritz erst beim Neuen Forum, dann bei den Grünen. "Deren Themen hatten mich schon viel früher interessiert. Ich fragte mich immer, wie es sein kann, dass in unserem Wohngebiet mit Braunkohle geheizt wird, Smogalarm aber nur im nahen Kreuzberg hinter der Mauer ausgelöst wird", sagt Harald Moritz.
Als die Mauer gefallen war, schlugen Grenztruppen am Schlesischen Busch einige Tage später an der Puschkinallee eine Bresche. Fotos aus dieser Zeit schmücken die Wände des Bürgerbüros von Harald Moritz.
Der DDR weint der Politiker, der von 1990 bis 1999 Mitglied der BVV Treptow war und seit 2011 für Bündnis 90/Die Grünen als Verkehrsexperte im Abgeordnetenhaus sitzt, keine Träne nach. "Der Einsatz gegen die Diktatur hat sich auf jeden Fall gelohnt, die DDR wurde doch nur mit Zwang künstlich am Leben erhalten", sagt er zum Abschied.
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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