Die Gagfah machte das Dorf zur Stadt
Ausstellung zur Geschichte der Wohnsiedlung an der Ortolfstraße
Kunibertstraße, Ortolfstraße und Wolfmarsteig erhielten ihre Namen vor rund 80 Jahren. Die Straßen entstanden beim Bau der Gagfah-Siedlung.
Im vorigen Jahr wurde die Gemeinnützige Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstätten 100 Jahre alt. Seine Spuren hat das Unternehmen auch in Altglienicke hinterlassen. Um 1930 war das noch eher ein beschauliches Dorf. Dann wurden Ackerflächen parzelliert. Dort entstand ab 1934 die Gagfah-Siedlung.
„Das Unternehmen hat damals Wohnungen für Familien aus einfachen Verhältnissen gebaut. Die mussten einen Bausparvertrag abschließen, einen Eigenanteil zahlen und haben die geplanten Reihenhäuser dann abbezahlt“, erklärt Ronald Seiffert vom Museum Altglienicke. Im Vorfeld des Jubiläums hatte sich der Hobbyhistoriker mit der Geschichte der Gagfah in Altglienicke befasst und zahlreiche Dokumente und Fotos zusammengetragen. Dafür hatte er im Frühjahr 2018 die rund 450 Wohnungen der Siedlung mit einer Wurfsendung über sein Anliegen informiert. Immerhin 15 Bewohner meldeten sich, fünf Familien steuerten umfangreiche Dokumente bei. „Da waren sogar private Fotos und die Verträge und Bausparurkunden der Vorfahren aus den 30er-Jahren dabei“, freut sich Ronald Seiffert.
Die Urkunde von Herbert Gottschall zum Beispiel zeigt, dass auch ein Hauskauf für einfache Leute nicht ganz billig war. Der Kaufpreis für das Haus und das rund 500 Quadratmeter große Grundstück ist mit 12 278 Reichsmark beziffert. Davon wurde der größte Teil über zwei Hypotheken finanziert, ein Eigenanteil von 1831 Mark wurde sofort fällig. Monatlich waren dann rund 54 Mark abzuzahlen, nach rund 20 Jahren waren die Häuser Eigentum der Bewohner geworden. „Nach dem Krieg gab es allerdings Versuche, einen Teil von ihnen zu enteignen, weil sie als Nazis eingestuft wurden“, erzählt Ronald Seiffert.
Der Hobbyheimatforscher hat viel in Altglienicke fotografiert. Um die Gagfah-Siedlung und die nach 1990 entstandenen Neubauten gemeinsam aufs Bild zu bekommen, ist er sogar auf den Schornstein des örtlichen Heizwerks geklettert.
Diese Fotos und zahlreiche Dokumente aus dem Besitz der Siedler sind in die aktuelle Sonderausstellung des Museums Altglienicke im Bürgerhaus eingegangen. Eine zusätzliche Tafel wird jetzt noch mit Fotos aus dem früheren Tante-Emma-Laden der Siedlung gestaltet. Diese Bilder hatte Seiffert erst nach der Eröffnung der Ausstellung erhalten.
Die Gagfah gibt es übrigens nur noch auf dem Papier. Die Gemeinnützigkeit wurde bereits 1990 aufgehoben, das Unternehmen mehrfach verkauft. Heute ist sie als Gesellschaft nach Luxemburger Recht Teil des Immobilienkonzerns Vonovia.
Die Ausstellung „Geschichte der Gagfah-Siedlung Altglienicke“ ist noch bis 31. März im Bürgerhaus Altglienicke, Ortolfstraße 182, erste Etage, zu sehen. Geöffnet ist Montag bis Freitag von 13 bis 21 Uhr. Führungen gibt es an gleicher Stelle am 27. Januar, 24. Februar und 31. März jeweils von 14 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.
Wissenswertes unter www.altglienicke24.de.
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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