Rainer Boßdorf erinnert sich im Alliiertenmuseum

Altglienicke. Die Schönefelder Chaussee liegt nur ein paar Schritte vom Friedhof Altglienicke entfernt. Hier endete vor fast 60 Jahren ein Tunnel, durch den westliche Geheimdienste ein sowjetisches Telefonkabel angezapft hatten. Rainer Boßdorf durfte als Schüler nach der Entdeckung einen Blick in den Tunnel werfen.

"Mein Vater war damals Fernmeldetechniker bei der Post und arbeitete im Entstörungsdienst. Irgendwann Anfang April 1956 kam er fast jeden Abend spät nach Hause und erzählte etwas von Überstunden", erinnert sich Rainer Boßdorf (69). Erst nachdem die Geschichte von der Entdeckung des Tunnels in der Presse stand, dufte der Telefonspezialist seine Familie informieren. Georg Blake, ein britischer Offizier, hatte das Tunnelprojekt frühzeitig an die Russen verraten. Die nutzten ihre Telefonleitung aber trotzdem. Nach über einem Jahr, in dem fast alle Gespräche zwischen sowjetischen Dienststellen in Karlshorst und dem Militärkommando in Wünsdorf aufgezeichnet und britischem Geheimdienst und CIA zur Verfügung gestellt wurden, "entdeckten" die sowjetischen Alliierten offiziell den Tunnel. "Ein paar Tage später nahm mich Vater mit Genehmigung seiner Vorgesetzten mit hinein. Er hatte dort in tagelanger Arbeit die drei durch das Anzapfen beschädigten Telefonkabel repariert. Ich habe über die moderne Technik der Amerikaner gestaunt. Es gab eine eigene Stromversorgung und eine Klimaanlage. Der Verstärkerraum wurde durch das gleißende Licht von Leuchtstoffröhren erhellt", erzählt Rainer Boßdorf.

In seiner Schule in Niederschöneweide konnte er damals mächtig mit der Geschichte "angeben". Dann verschwand der Tunnel, der als "Operation Gold" in die Geschichte des Kalten Kriegs einging, für viele Jahre aus seiner Erinnerung. Aber die Aktentasche des Vaters und eine englische Handbohrmaschine, die der Vater als Erinnerungsstück heimlich aus dem Tunnel mitgenommen hatte, gibt es noch.

Als 2006 die Autobahn nach Schönefeld gebaut wurde, erinnerte sich Rainer Boßdorf an die Tunnelgeschichte. Er informierte das Alliiertenmuseum, das ihn bat, mit den Bauleuten Kontakt aufzunehmen. "Dort, wo der Tunnel vermutet wurde, haben die Arbeiter dann ganz vorsichtig mit einem Schlitzbagger gegraben. So konnten mehrere Tunnelsegmente ausgebuddelt und für die Nachwelt erhalten werden", so Boßdorf.

Mehrmals im Jahr erzählt er seine Geschichte nun im Alliiertenmuseum. Aktentasche und Brustleier sind immer dabei.

Wissenswertes zur Operation Gold erfährt man im Museum Altglienicke, Köpenicker Straße 42, Ecke Besenbinderstraße. Dort ist an jedem letzten Sonntag im Monat von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Die Originalteile des Tunnels können im Alliiertenmuseum an der Clayallee 135 dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr besichtigt werden.
Ralf Drescher / RD
Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

16 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 90× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 428× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 398× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 830× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.