In fünfter Generation hinterm Tresen: Peter Schulz (58)
Ein Wirtshaus gibt es im heutigen Altglienicke schon, seit die ersten Deutschen hier siedelten. Und das sind in diesem Fall fast genau 800 Jahre.
Deutsche Zuzügler hatten das Straßendorf um 1230 gegründet, nachdem die ansässigen Slawen fortgezogen waren. „Bereits im Landbuch Kaiser Karls von 1375 ist im damaligen Glyneke neben den 49 Hofstellen ein Krug – Wirtshaus – verzeichnet, praktisch der Vorgänger der heutigen Gaststätte“, erzählt Wirt Peter Schulz. Der führt das Gewerbe bereits in fünfter Generation am gleichen Ort.
Gebaut hat die heutige Gaststätte Ebel vor über 100 Jahren sein Ururgroßvater, ein Landwirt. Und der hat dann eine Gastwirtswitwe aus Wedding geheiratet. Fortan schenkte man Speisen und Getränke für die Altglienicker aus. In den folgenden Jahrzehnten wurde das um 1870 errichtete Gebäude mehrmals erweitert. Bilder aus der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg zeigen das Gasthaus aber schon so, wie es heute Passanten an der Semmelweisstraße wahr nehmen.
Peter Schulz selbst wollte eigentlich nie hinter den Tresen, sondern Kühlanlagenbauer werden. Da er dafür mehrere Jahre in ein Internat gemusst hätte, entschied er sich dann doch für den Kochlöffel. Gelernt hat er im zu DDR-Zeiten renommierten Restaurant Sofia an der Friedrichstraße und danach weiter für die HO – staatliche Handelsorganisation – gearbeitet. Die Familiengaststätte im Dorfkern von Altglienicke wurde zwar von den Eltern betrieben, war aber an die HO verpachtet. Darauf hatte sich die Tochter des Firmengründers kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wegen der schlechten Versorgungslage eingelassen. Die HO zahlte nur eine geringe Pacht, für Reparaturen mussten die privaten Hauseigentümer aufkommen.
Pro Tag gingen im Gasthaus Altglienicke bis zu 300 Essen über die Küchenluke, unter anderem an Mitarbeiter örtlicher Betriebe. Und 1988 wurde Peter Schulz dann Gaststättenleiter im Auftrag der HO im eigenen Haus. „Mein Bruder hatte einen Besuch im Westen zur Flucht genutzt. Damit die uns nicht einen fremden Gaststättenleiter ins Haus setzen, habe ich die Leitung nach Absprache mit der HO übernommen“, erinnert er sich.
Ein Jahr danach verabschiedete sich die HO auch aus Altglienicke. „Ich durfte denen noch auf den letzten Drücker Inventar und Möbel für 25 000 Ostmark abkaufen. Als ich Tage später die alten Pachtverträge meiner Großmutter gesehen habe, war schnell klar, dass ich mein eigenes Geschirr und unsere Kneipenstühle gekauft hatte. Von der HO war da aber schon keiner mehr zu greifen“, ärgert sich Peter Schulz noch ein gutes Vierteljahrhundert später.
Seitdem hat er das Familiengasthaus durch die Wirren der Zeit geführt. Neben moderner Technik, unter anderem bei Kasse und Abrechnung, setzt er auf Qualität. „Das Essen muss gut sein und dafür muss man die Mitarbeiter ordentlich bezahlen“, ist sein Credo für Überleben und Erfolg des Familienbetriebs.
Eines der wenigen Probleme ist ein fehlender Nachfolger. Die Tochter hat zwar Restaurantfachfrau gelernt, organisiert aber inzwischen für die Urania Kongresse und Großveranstaltungen. „Da verdient die deutlich mehr als das, was sie sich hier als Gaststättenleiterin auszahlen könnte“, sagt Peter Schulz.
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.