Der Friedhof als Geschichtsbuch
Erinnerung an die Opfer von NS-Regime und Schießbefehl

Grabanlage für Menschen, die in den letzten Tages des Zweiten Weltkriegs gefallen sind oder als Zivilisten bei Kampfhandlungen starben. | Foto: Ralf Drescher
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  • Grabanlage für Menschen, die in den letzten Tages des Zweiten Weltkriegs gefallen sind oder als Zivilisten bei Kampfhandlungen starben.
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Friedhöfe sind für den spontanen Besucher oft auch eine Art Geschichtsbuch. Auf der Anlage in Baumschulenweg wird jüngere Geschichte in Erinnerung gebracht.

Während der alte Friedhof mit dem Krematorium bereits 1911 angelegt wurde, stammt der neue Friedhofsteil auf der anderen Seite der Kiefholzstraße aus den Jahren 1936 bis 1939. Er sollte ein Muster für moderne Friedhofsgestaltung werden und bot Platz für rund 30 000 Gräber. Auf einer eigenen Fläche ruhen Menschen, die in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs gefallen sind oder als Zivilisten bei Kampfhandlungen getötet wurden.

Gleich daneben befindet sich ein einzelnes Grab aus jüngerer Zeit. Hier ruht Chris Gueffroy, das letzte Opfer des Schießbefehls an der Berliner Mauer. Er starb beim Versuch, über den Britzer Verbindungskanal zu fliehen, am 5. Februar 1989. Seine Beisetzung am 23. Februar in Baumschulenweg wurde zum Politikum. „Wir sind damals mit dem Bus zum Friedhof gefahren. Auf dem Weg zur Trauerhalle mussten wir durch ein Spalier von Stasileuten, und hinter manchem Grab standen jüngere Männer mit Harke und Hacke. Recht ungewöhnlich mitten im Februar“, erzählt Mutter Karin Gueffroy. Trotz Einschüchterungsversuchen durch Volkspolizei und Staatssicherheit kamen rund 100 Freunde, Kollegen und Bekannte des Maueropfers sowie mehrere westliche Korrespondenten zur Beisetzung.

Andere Maueropfer wie Gerald Thiem (1928-1970) haben nicht einmal ein Grab. Der Baupolier aus Neukölln war 1970 versehentlich ins Grenzgebiet geraten. DDR-Grenzer feuerten 177 Schüsse aus Sturmgewehren auf ihn ab. Obwohl Verwandte bei DDR-Behörden nachfragten, wurde bestritten, dass die DDR etwas mit seinem Verschwinden zu tun hatte. Seine Leiche wurde anonym im Krematorium Baumschulenweg eingeäschert. Das gab es bis zum Ende der DDR mehrfach, die Kremierungen nahmen nach Feierabend der staatstreue Leiter des Krematoriums gemeinsam mit abkommandierten Stasileuten vor. Die Stelle, an denen die Urnen der illegal bestatteten Maueropfer verscharrt wurden, konnte erst 2016 ausfindig gemacht werden. Heute erinnert dort eine Gedenkstele daran.

Auch einen Ehrenhain, in dem NS-Gegner und am Aufbau des SED-Regimes Beteiligte ruhen, gibt es auf dem Friedhof. Dort steht eine übermannsgroße Stele mit einer Bronzeplastik von Gerd Thieme. Sie wurde 1981 errichtet und stellt vier den Sieg der Arbeiterklasse symbolisierende Figuren dar.

Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

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