Eintauchen in die Lokalgeschichte
Andreas Freiberg recherchiert die Geschichte des Ortsteils Baumschulenweg

Mit den historischen Fotos und Dokumenten, die Andreas Freiberg recherchieren konnte, wurde eine Stolpersteinbroschüre über Baumschulenweg zusammengestellt. | Foto: Philipp Hartmann
  • Mit den historischen Fotos und Dokumenten, die Andreas Freiberg recherchieren konnte, wurde eine Stolpersteinbroschüre über Baumschulenweg zusammengestellt.
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„Jeder Mensch hat irgendein Hobby. Eine Freundin von mir liest Krimis und löst Kreuzworträtsel. Ich mache eben das“, sagt Andreas Freiberg. Der 71-Jährige interessiert sich vor allem für die Menschen, die einmal in der Baumschulenstraße gelebt haben, und für die Geschäfte, die es dort gegeben hat. Dank seiner Recherchen wurden in den vergangenen Jahren viele Stolpersteine verlegt.

2001 zog Freiberg, der vorher in Marzahn gewohnt hat, nach Baumschulenweg. Er wollte näher an seinem Garten in Johannisthal wohnen. Dort begann er zunächst, sich für den ehemaligen Flugplatz zu interessieren. Nachdem er jedoch Mitglieder des Heimatvereins Treptow kennengelernt hatte, die viel mehr über die Gegend wussten als er, konzentrierte er sich fortan auf Baumschulenweg. Es sei die konkrete Geschichte in seinem unmittelbaren Wohnumfeld, die ihn reize. Mehr darüber zu erfahren, was in den Häusern passiert ist, an denen er täglich vorbeikommt, findet er unheimlich spannend.

Dass die Zahl der Stolpersteine von damals sechs auf heute 23 gestiegen ist, liegt vor allem an seinen akribischen Nachforschungen. Freiberg stöberte unter anderem im Bundes- und Landesarchiv, im Internet, in Zeitungen, Auswanderungs- und Passagierlisten, Bibliotheken, Telefonbüchern und jüdischen Adressbüchern.

Verwüstetes jüdisches Kaufhaus

Die ersten Personen, auf deren Spurensuche er sich begab, waren Emma und Hermann Bry. Das Paar wohnte 1927 in der Cecilienstraße 4, dem heutigen Rodelbergweg 12. Freiberg fand das „Kaufhaus Hermann Bry“ in der Baumschulenstraße 12 auf einer Liste der NSDAP vom März 1933 zur Vorbereitung des landesweiten Boykotts jüdischer Geschäfte, Warenhäuser, Banken, Arztpraxen, Rechtsanwalts- und Notarkanzleien. Mehrere Zeitzeugen bestätigen, dass das Kaufhaus am 1. April 1933, dem Tag des von den Nazis so bezeichneten „Judenboykotts“, von der SA gestürmt und verwüstet wurde. Hermann Bry starb 1935 an einem Schlaganfall, seine Frau 1944, nachdem sie ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurde. Andreas Freiberg entdeckte das Grab Hermann Brys auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee, obwohl dieses durch Efeu bereits komplett zugewachsen war.

Bei seinen Recherchen stieß er irgendwann auch auf Nachkommen der Familie Selbiger und Käte Mugdan, zu deren Andenken später ebenfalls Stolpersteine verlegt wurden. „Da gehört ein bisschen Nase, Suche und Glück dazu“, erklärt er. Durch die Angehörigen der früheren NS-Opfer konnte der Hobbyhistoriker noch viel detailliertere Informationen zusammentragen. So erhielt er Zugang zu persönlichen Fotos und Dokumenten. Verarbeitet wurden diese in der „Stolpersteinbroschüre“, deren zweite Auflage gerade erschienen ist. Sie beinhaltet auch die zuletzt im Oktober verlegten fünf neuen Stolpersteine und die Geschichten der Menschen, für die sie stehen.

Artikel, Vorträge, Führungen

Freiberg hat noch eine Namensliste mit 100 weiteren Personen aus Baumschulenweg, die in Zukunft recherchiert werden könnten. „Das schaffe ich alleine aber nicht mehr“, sagt er. Es sei schade, dass er mit seinem Hobby Einzelkämpfer im Ortsteil sei.

Wichtig ist ihm außerdem, nicht nur auf das Thema Stolpersteine reduziert zu werden. Er schreibt auch Artikel für Zeitschriften, hält Vorträge in der Volkshochschule, in Seniorenheimen und der Evangelischen Kirche und veranstaltet als Mitglied im Bürgerverein Baumschulenweg historische Spaziergänge durch „Baume“. Zugleich ist er gut vernetzt und in mehreren Facebook-Gruppen aktiv. Für 2021 hat er sich ein neues großes Projekt vorgenommen. Dann will sich Andreas Freiberg mit den insgesamt acht Fremdarbeitslagern beschäftigen, die es in Baumschulenweg gegeben hat.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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