Die Nacht, als die Mauer fiel
Jeannette Süß erinnert sich an ihre Erlebnisse von 1989

Heidekampweg 2. Hier wohnte Jeannette Süß, als 1989 die Mauer fiel. | Foto: Ralf Drescher
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Fast jeder, der 1989 in Berlin lebte, weiß noch heute, was er in der Nacht vom 9. zum 10. November gemacht hat. Jeannette Süß hat ihre Erlebnisse vor zehn Jahren sogar in einem kleinen Buch veröffentlicht.

Die Immobilienkauffrau aus Woltersdorf wohnte damals gleich neben dem Grenzübergang Sonnenallee. „Ich war am Abend des 9. November dabei, mit einem Freund Unterlagen für eine Gartenlaube durchzusehen. Ich konnte vom Fenster auf den Grenzübergang sehen. Kurz nach 20 Uhr strömten dort immer mehr Leute in Richtung Grenze“, erinnert sie sich. Wenig später beschließt sie mit ihrem Freund, selbst zur Grenze zu gehen. Aus anfangs vielleicht 25 Menschen werden dort schnell 50 und mehr. „Ich bin zurück ins Haus und habe bei Bekannten die Aufnahmen von der Pressekonferenz mit Schabowski gesehen. Danach sind wir wieder zum Grenzübergang Sonnenallee gegangen“, erzählt Jeannette Süß.

Gegen 21 Uhr haben die Grenzer die Übergangsstelle geöffnet und alle Wartenden durchgelassen. Im Gegensatz zu den in Foto und Film dokumentierten Ereignissen an der Bornholmer Straße völlig unspektakulär. Dafür herrschte auf Neuköllner Seite gegen 21 Uhr gespenstische Stille. Hier gab es nur die riesige Wohnanlage der High-Deck-Siedlung. „Auf den Straßen war kein Mensch. Wir sind dann am Heidekampgraben entlang, ich wollte von der Westseite das Haus meiner Eltern sehen. Ich hatte ja dort früher mein Kinderzimmer mit Blick auf die Mauer“, berichtet Jeannette Süß.

Irgendwann steht sie dann am Heidekampgraben mit Blick auf die erleuchteten Fenster der Elternwohnung. Rund 40 Meter, das Gewässer und die Mauer liegen dazwischen. „Zurück am Grenzübergang war inzwischen die Weltpresse angerückt. Wir wurden interviewt und wenig später in ein Taxi gesetzt, dass uns als Überraschungsgäste aus dem Osten zu einer privaten Geburtstagsfeier bringen sollte“, erzählt die Zeitzeugin. Am Ende landet sie mit Freunden auf der Party von 100,6-Begründer Ulrich Schamoni, der an jenem 9. November 1989 seinen 50. Geburtstag feiert. Dort lernt sie auch Helga Hahnemann kennen, die für die Unterhaltung der Partygäste engagiert worden war.

Nach einem tollen Abend brachte ein Taxi Jeannette Süß und ihre Freunde zur Sonnenallee zurück. „Die Gastgeber hatten die Südfrüchte vom Buffet in Körbe gepackt und uns mitgegeben“, erinnert sie sich. Nach kurzer Nacht dann der Morgen. Ein Blick aus dem Fenster zeigt, dass alles kein Traum war. Noch immer strömen Massen zum Grenzübergang, dazwischen knattern die Trabis. Als sie wenig später ihre Arbeitsstelle in einem Geschäft am Bahnhof Baumschulenweg erreicht, ist Jeannette Süß neben dem Chef die Einzige, die zur Arbeit kommt. Alle anderen Kollegen sind noch auf Westbesuch.

Erst 20 Jahre nach dem Mauerfall erfährt sie übrigens, auf wessen Party sie 1989 gelandet war. Die Feier von Ulrich Schamoni fand in den Kindl-Festsälen statt, zu den geladenen 1000 Besuchen gehörten unter anderem Harald Juhnke, Karl Dall, Regina Ziegler, Eberhard Diepgen und der britische Stadtkommandant. "Erika Grimme-Schamoni, die Witwe des 1998 verstorbenen Ulrich Schamoni, hat mich dann ermuntert, meine Erlebnisse vom 9. November 1989 aufzuschreiben und zu veröffentlichen“, sagt Jeannette Süß.

Ihre Erinnerungen unter dem Titel „Am Grenzübergang Sonnenallee“ kosten 7,90 Euro. Sie können über den Buchhandel oder Amazon bestellt werden (ISBN 9781520395173).

Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

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