Die letzten Todesschüsse an der Mauer
Vor 30 Jahren starb Chris Gueffroy im Kugelhagel

Eine Stele am Ufer des Britzer Verbindungskanals erinnert an die Todesschüsse. | Foto: Ralf Drescher
4Bilder
  • Eine Stele am Ufer des Britzer Verbindungskanals erinnert an die Todesschüsse.
  • Foto: Ralf Drescher
  • hochgeladen von Ralf Drescher

2019 jährt sich der Fall der Mauer zum 30. Mal. Während der 9. November ein Freudentag war, ist der 5. Februar 1989 mit tiefer Trauer verbunden. An diesem Tag starb der Johannisthaler Chris Gueffroy (1968-1989) als letztes Opfer des DDR-Schießbefehls.

Der 20 Jahre alte Kellner wollte mit einem Freund am Abend die Flucht über den Britzer Verbindungskanal nach Neukölln wagen. Dazu waren die jungen Männer von der Britzer Allee aus über eine Kleingartenanlage ins Grenzgebiet eingedrungen. Die Hinterlandmauer können sie überwinden. Beim Durchkriechen eines Signalzauns berühren sie vermutlich einen der Drähte und lösen Alarm aus. Während sie auf das letzte Sperrelement, einen drei Meter hohen Zaun am Kanalufer zurannten, wurden sie unter Feuer genommen. Chris Gueffroy, in die Füße und ins Herz getroffen, stirb innerhalb weniger Minuten. Christian Gaudian wird verletzt festgenommen, zu drei Jahren Haft verurteilt und im Oktober 1989 von der Bundesregierung freigekauft. Laut Stasiprotokollen wurden insgesamt 21 Schüsse abgefeuert.

Die DDR versuchte, die Todesschüsse zu vertuschen. Allerdings hatten mehrere Neuköllner – vermutlich Mitarbeiter einer am Kanalufer befindlichen Kaffeerösterei – die Schüsse gehört und den Abtransport der Opfer beobachtet. Bereits wenige Stunden später vermeldete der Radiosender 100,6 den Zwischenfall. An der Trauerfeier für Chris Gueffroy auf dem Friedhof Baumschulenweg nahmen am 23. Februar rund 100 Trauergäste teil, darunter 15 westliche Journalisten, wie Stasi-Chef Erich Mielke am 25. Februar in einem Brief an Erich Honecker mitteilte.

Wenige Monate später fiel die Mauer. Mutter Karin Gueffroy erstattete im Januar 1990 beim Generalstaatsanwalt der DDR Anzeige gegen Unbekannt, um die Mauerschützen zur Verantwortung zu ziehen. Bereits im Mai 1991 wurde gegen vier frühere Angehörige der DDR-Grenztruppen verhandelt, als Befehlsempfänger erhielten sie Bewährungsstrafen. Wegen seiner Mitverantwortung für die Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze wurde Egon Krenz 1997 zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Seit 2003 steht am Tatort am Ufer des Britzer Verbindungskanals eine Gedenkstele. Und am 13. August 2010 wurde die Britzer Allee, die in unmittelbare Nähe verläuft, in Chris-Gueffroy-Allee umbenannt.

Am 5. Februar wird das Bezirksamt gemeinsam mit Bezirksverordneten, Freunden und Familienangehörigen an den Tod von Chris Gueffroy erinnern. Mit dabei sind Bürgermeister Oliver Igel und der Europaabgeordnete Michael Cramer (Bündnis 90/Grüne). „Erst die friedliche Revolution im Herbst 1989 hat dem Sterben an der Mauer ein Ende bereitet. An das Unrecht des Mauerregimes wollen wir an diesem Tag erinnern“, sagt Oliver Igel. Die Gedenkveranstaltung an der Stele am Kanalufer beginnt um 13 Uhr.

Wissenswertes auf der Seite Chronik der Mauer mit Kopien von Stasidokumenten: http://www.chronik-der-mauer.de/todesopfer/171315/gueffroy-chris.

Hier hören Sie eine Rede zur Umbenennung der Britzer Allee in Chris-Gueffroy-Allee aus dem Jahr 2010.

Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

16 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 2.719× gelesen
BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 2.061× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 2.675× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 3.588× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.