Einsturz und Neueinweihung des Turms der Gnadenkirche in fünf Monaten

Der neue Turm der Biesdorfer Gnadenkirche an der Straße Alt Biesdorf konnte am 20. März 1898 endlich eingeweiht werden. | Foto: hari
  • Der neue Turm der Biesdorfer Gnadenkirche an der Straße Alt Biesdorf konnte am 20. März 1898 endlich eingeweiht werden.
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Die Biesdorfer Dorfkirche hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Hierzu gehören auch Einsturz und Neueinweihung des Kirchturms im März 1898.

Das Dorf Biesdorf entstand um 1230. Wann die Biesdorfer erstmals eine Kirche gebaut haben, lässt sich nicht mit Sicherheit datieren. Wahrscheinlich ist das letzte Viertel des 13. Jahrhunderts. Der zuletzt angebaute Turm aus dem Jahr 1702 erschien den Biesdorfern Ende des 19. Jahrhunderts zu klein. „Er war reparaturbedürftig und die Gemeinde wollte ein größeres, repräsentativeres Bauwerk“, sagt der Heimathistoriker Karl-Heinz-Gärtner.

Den Entwurf für den Umbau der Kirche und den Anbau des neuen Turms lieferte der Architekt Ludwig von Tiedemann. Mit dem Abbruch des alten Turms im Juli 1897 setzte die Gemeinde ein ehrgeizige Ziel: Der neue Kirchturm sollte bis 1. November fertig sein. Es wurde entsprechend schnell gearbeitet und für die Fundamente die alten Feldsteine verwendet. Auch die Mauern des Turms wurden aus alten Feldsteinen hochgesetzt. Ab Höhe des Kirchendachs wurde mit Rathenower Backsteinen gearbeitet.

Der Turm sollte 24 Meter hoch werden. Als man 19 Meter erreicht hatte, stellten die Maurer fest, dass der Mörtel abzubröckeln begann. Man verständigt den Polier, dieser den Meister und der den die Aufsicht habenden Baurat Leithold. Bevor dieser eine Entscheidung traf, fiel der Turm zusammen. Es war der Morgen des 12. Oktober 1897 gegen 5.15 Uhr. Glücklicherweise gab es um diese Uhrzeit kaum Verkehr. Einem Milchkutscher durchschlugen Steine und Bretter das Verdeck seines Wagens und er entging nur größerem Schaden, indem er seine Pferde antrieb. Das Gerüst legte sich zur Seite, wurde aber von den Telefondrähten aufgefangen. Es blieb ein 19 Meter hoher Schutthaufen. Die Mauern der Kirche blieben unversehrt.

„Die Ursache des Zusammensturzes des neuen Werkes scheint in einer ungenügenden Verbindung des verschiedenen Steinmaterials durch mangelhaften Mörtel zu liegen“, schrieb am Tag darauf das Berliner Tageblatt. Es gab also auch schon zu Zeiten von Kaiser Wilhelm II. Pfusch am Bau.

Die umgestaltete Kirche und der neue Turm konnten am 20. März 1898 eingeweiht werden, vor 120 Jahren. Sogar Kaiserin Auguste Viktoria gedachte der Biesdorfer aus diesem Anlass und schenkte der Gemeinde eine wertvolle Altarbibel, wie das Berliner Tageblatt berichtete.

Die Biesdorfer Dorfkirche wurde am 20. Januar 1944 durch einen Bombenangriff zerstört. Nur die Außenmauern blieben stehen, vom Kirchturm nur noch die Hälfte. Der Wiederaufbau in einfacherer Form begann im Juli 1950, im Oktober 1951 wurde die Kirche erneut eingeweiht und heißt seitdem „Gnadenkirche“.

Autor:

Harald Ritter aus Marzahn

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