Ein dunkles Kapitel
Gedenkstein auf Krankenhausgelände erinnert an Euthanasie-Opfer
Das ehemalige Wilhelm-Griesinger-Krankenhaus ist mit seinen schmucken Bauten im Stil der Neorenaissance bis heute eine Augenweide. Doch während der Nazizeit spielte sich hinter den Mauern Schreckliches ab.
Davon zeugt seit 20 Jahren ein Gedenkstein für die Opfer der Euthanasie am Weg auf Höhe der Einfahrt von der Altentreptower Straße zum Unfallkrankenhaus Berlin (UKB). Der Stein befindet sich nahe des Hauses 41 auf dem ehemaligen Krankenhausgelände, einem Zweckbau aus DDR-Zeiten. Hinter dem Stein ist noch ein Stück der Schienen erhalten, über die von 1940 bis 1941 auch Menschen in Zügen zur Tötung abtransportiert wurden.
Der Gedenkstein wurde auf Initiative der IG Krankenhauskirche am 11. September 1998 aufgestellt. Die IG wurde von ehemaligen Mitarbeitern des Griesinger-Krankenhauses gegründet, um die Krankenhauskirche zu erhalten. Sie trugen wesentlich dazu bei, die Geschichte des Krankenhausgeländes und des dunkelsten Kapitels öffentlich zu machen.
Die Einrichtung wurde im November 1893 unter dem Namen „Anstalt für Epileptische im Wuhlgarten bei Biesdorf“ eröffnet. Mit dem Machtantritt der Nazis 1933 fassten hier, begleitet von personellen Veränderungen in der Leitung, deren Ideen von „lebensunwertem“ Leben und dessen Vernichtung Fuß. Systematisch umgesetzt wurden diese menschenverachtenden Ideen auf Weisung Hitlers ab September 1939 im Rahmen der sogenannten Aktion T4.
In den Jahren von 1939 bis 1941 gingen nachweislich insgesamt 1024 psychisch kranke oder geistig behinderte Menschen von Biesdorf zunächst in sogenannte Zwischenlager und wurde später ermordet. Das geht aus einer Studie hervor, die von einer Arbeitsgruppe der IG Krankenhauskirche erstellt wurde.
Ab 1941 änderte sich die Art und Weise des Tötens. „Die Vorgänge waren ruchbar geworden und die Kirche sowie Angehörige von Patienten hatten protestiert“, sagt Detlev Strauß, Sprecher der IG, der auch an den Nachforschungen beteiligt war. Das Morden wurde in die Anstalten verlagert. Die Helfer der Nazis griffen zu Giftspritzen oder Schlaftabletten.
Diese Art des Tötens ließ sich weniger gut nachweisen – bis heute. „Wir konnten das nur indirekt an den Patientenakten nachverfolgen. Ein solcher Hinweis ist beispielsweise, wenn am gleichen Tag der Tod von zehn Patienten verzeichnet ist und alle an der gleichen Todesursache, etwa Lungenentzündung, starben“, erläutert Strauß. Die Arbeitsgruppe geht davon aus, dass auf diese Weise bis 1944 weitere etwa 1000 Patienten der Anstalt ermordet wurden.
Bis heute melden sich Angehörige und bitten um Auskunft über das Schicksal von ehemaligen Patienten. Die Arbeitsgruppe veröffentlichte unter dem Titel „Die Heil- und Pflegeanstalt Wuhlgarten 1933 - 1945 - ein Ort bekennt sich zu seiner Vergangenheit" ein Buch. Dieses ist gegen eine Spende per E-Mail an kirche@wuhletal.de erhältlich. Mehr Informationen gibt es auf www.wuhletal.de.
Autor:Harald Ritter aus Marzahn |
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