„Sie versuchen zu überleben“
Vika Günther stellte in kurzer Zeit eine Hilfsaktion für ihre Landsleute auf die Beine
Gleich nach Kriegsbeginn hat die gebürtige Ukrainerin Vika Günther angefangen, in ihrem Kaulsdorfer Vorgarten Hilfsgüter für Flüchtlinge zu sammeln. Inzwischen engagieren sich immer mehr Menschen bei der privaten Initiative #Vikahilft.
Das Telefon der 35-Jährigen klingelt ständig. Während Vika Günther zwischen den zahlreichen Sammelkisten umherläuft, organisiert sie gerade den Transport von vier Müttern, fünf Kindern und zwei Hunden in das Vereinshaus eines Teltower Fußballclubs, in dem die Kriegsflüchtlinge unterkommen können. „Da können sie erstmal Ruhe finden“, sagt Vika Günther. Sie wisse manchmal gar nicht, welcher Wochentag sei, sagt die Eventmanagerin. Durch ihre vielen Kontakte – Freunde, Bekannte, Geschäftspartner – ist aus ihrer Vorgartensammelaktion in wenigen Tagen eine „verrückt professionelle Aktion geworden – wie ein in einer Woche hochgezogenes Start-up“.
Sorge um die Familie in der Ukraine
Seit 23 Jahren wohnt sie in Berlin. Ihr Großvater lebt noch in ihrer Heimatstadt Tscherkassy, etwa 200 Kilometer südöstlich von Kiew. Er ist 90 und allein in seiner Wohnung. „Opa will nicht mehr weg“, sagt Vika, die täglich mit ihm telefoniert, besorgt. Ihr Vater hängt mit seiner Frau und seinen Söhnen im Luftschutzkeller in Saporischschja fest. „Die Stadt ist umzingelt, die kommen nicht mehr raus“, fürchtet Vika Günther, die nur noch alle paar Tage Kontakt zu ihrem Vater hat. „Sie versuchen zu überleben.“
Mittlerweile gibt es über 30 ehrenamtliche Helfer in der Initiative #Vikahilft. Auf dem Hof einer Cateringfirma an der Biesdorfer Oberfeldstraße nehmen sie täglich vier Stunden lang Spenden entgegen. Alle paar Minuten kommen Leute, bringen Medikamente, Windelpakete, geladene Powerbanks, Schlafsäcke, Babynahrung und sogar Hundetransportboxen vorbei. Die Helfer sortieren die Hilfsgüter und packen Kartons, die zweisprachig beschriftet werden. Fast jeden Tag fährt ein Transporter an die polnisch-ukrainische Grenze, um die Kisten in Aufnahmelagern und bei Hilfsorganisationen wie den polnischen Maltesern abzugeben. Auf dem Rückweg nehmen die Fahrer dann Frauen mit Kindern mit.
Viele wollen helfen
Vikas Team kümmert sich um Unterkünfte und vermittelt die Menschen an Freunde oder Bekannte, die ein Bett frei haben. Eine Schwangere in einem Sammellager in Polen hatte sogar irgendwie die Nummer von Vika und um Hilfe gebeten. „Ich stand gerade hier und hab mit ihr telefoniert“, sagt Vika. „Ein Pärchen, das Sachen gebracht hat, hatte das mitbekommen und spontan gesagt, sie würden sofort losfahren und die Frau abholen“, berichtet Vika Günther. Die schwangere Frau ist jetzt in Berlin und erholt sich erst einmal im Gartenhäuschen von den Strapazen.
Vikas Handy klingelt durchgehend, auch nachts. Seit Wochen macht sie nichts anderes, als Hilfe für ihre Landsleute zu organisieren. Ihre anfängliche Ohnmacht und Hilflosigkeit nach den ersten Bildern vom russischen Angriff auf ihre Heimat Ukraine seien schnell umgekippt in Aktionismus. „Wenn ich meinen Leuten im Land nicht helfen kann, dann kann ich wenigstens denen helfen, die es über die Grenze geschafft haben.“ Vika ist beeindruckt von der Hilfsbereitschaft und hat Angst, dass der Krieg immer mehr Opfer fordert. „Wir haben hier alle schon geweint. Die Geschichten, die wir täglich hören, nehmen einen extrem mit“, sagt sie.
Alle Details zur Initiative #Vikahilft mit Bedarfsliste, was gerade benötigt wird, und Spendenkonto im Internet auf vikahilft.de und bei Instagram unter @vikahilft. Sachspenden können täglich zwischen 14 und 18 Uhr bei Beef&Co, Oberfeldstraße 189, 12683 Berlin, abgegeben werden.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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