Oberschüler lesen Texte eines zum Tode verurteilten Schriftstellers
Reinickendorf. Mit einer Lesung in der Aula hat das Suttner-Gymnasium seine Solidarität mit dem inhaftierten Schriftsteller Ashraf Fayadh bekundet. Die besondere Feierstunde wurde von Deutschlandradio übertragen.
Andere 18-Jährige wären vielleicht eine Spur aufgeregt. Die große Aula des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums ist schließlich bis auf den letzten Platz mit Oberschülern und Lehrern besetzt, alle schauen gespannt zur Bühne – und auf Philip Rozenkiewicz. Der meistert seine Rede aber so routiniert, als hätte er das schon hundertmal gemacht.
„Wir sind heute nur ein kleiner Teil einer größeren Idee“, erklärt der Schüler. „Als europäisches Gymnasium wollen wir ein Zeichen setzen: für die freie Meinungsäußerung. Sie ist ein fundamentales Grundrecht, das allen Menschen unabhängig ihrer Religion, Herkunft und Nationalität zustehen muss.“ Er erzählt seinen Mitschülern dann, worum es an diesem Morgen konkret geht: um einen literarischen Protest – als Signal der Unterstützung für den Lyriker und Künstler Ashraf Fayadh, der in Saudi-Arabien wegen angeblicher Islamkritik verhaftet und zum Tode verurteilt wurde. „Wer Menschen ihrer freien Meinung beraubt, trägt die Zivilisation zu Grabe“, sagt Philip Rozenkiewicz.
Mit dem Auftritt des 18-Jährigen begann eine von Deutschlandradio Kultur übertragene, feierliche Lesung, die zehn Schüler des Deutsch-Leistungskurses mit ihrer Lehrerin Sibylle Seite wochenlang geplant und vorbereitet hatten. Ziel war, sich einer Initiative des Internationalen Literaturfestivals Berlin anzuschließen: dem „worldwide reading“ – der weltweiten Lesung also – für Ashraf Fayadh am 14. Januar.
In etlichen Deutschstunden hatten die Mädchen und Jungen Texte des seit 2014 inhaftierten Schriftstellers zusammengetragen, ihre Fundstücke – zum Beispiel das Gedicht „Frida Kahlos Schnurrbärte“ aus dem Lyrikband „Anweisung von Innen“ – gelesen, ausgedruckt und Auszüge für die Lesung gewählt. Auf der Bühne trugen sie die Passagen dann in fünf Sprachen vor: Arabisch, Englisch, Französisch, Italienisch und Deutsch. Ein Beamer warf die Worte an die Wand.
Ehrengast der Veranstaltung war Nihad Srees aus Aleppo. Der Schriftsteller lebt seit seiner Flucht vor drei Jahren in Berlin. Offen sprach der Autor über den Nahen Osten und die Gefahren für Publizisten und Künstler in der Region, die anders denken – und sich auch äußern.Er machte deutlich, wie schnell ihnen Haft, viel zu harte Urteile oder gar die Hinrichtung drohen. Srees nannte Zahlen und Beispiele aus Iran, Irak, Libanon, Saudi-Arabien, Ägypten, Tunesien und seiner Heimat Syrien. Mit der Forderung, Ashraf Fayadh freizulassen, schloss der Gast seine Rede. Am Ende gab es von ihm noch ein großes Lob für die Schüler, für ihre Veranstaltung und ihr Engagement. „Wir müssen das Recht auf Meinungsfreiheit verteidigen“, so Nihad Srees. „Ich sehe das als meine Pflicht an, wie das Schreiben selbst.“ bm
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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