„Tautes Heim“: Britzer Paar bietet Architektur- und Designgeschichte zum Anfassen
Britz. Den Berlinurlaub im Unesco-Welterbe verbringen: Das haben Katrin Lesser und Ben Buschfeld möglich gemacht. Vor fünf Jahren eröffneten sie ihr „Tautes Heim“ in der Hufeisensiedlung, ein mietbares Museum im Stil der 1920er-Jahre. Eine kleine Ausstellung erinnert nun an die aufwendige Restaurierung des Hauses.
Begonnen hat alles im Jahr 2010. Das Paar, das selbst schon lange in der von Bruno Taut entworfenen Siedlung wohnt, erfuhr von einem leerstehenden Häuschen südlich der Parchimer Allee und besichtigte es. „Wir waren hingerissen, wie viel hier noch aus der Entstehungszeit erhalten war: Kachelofen, Tür- und Fenstergriffe, Vorratsschrank. Es wäre jammerschade gewesen, wenn ein neuer Mieter das alles vernichtet hätte“, erzählt Katrin Lesser. Sie und ihr Mann beschlossen: Hier würden sie ihre gesamte Altersvorsorge investieren, das Haus kaufen und es originalgetreu restaurieren.
Beschäftigt hatten sich die beiden Denkmalfans schon zuvor mit der Geschichte der Hufeisensiedlung, die in den Jahren 1925 bis 1930 errichtet wurde. Als Beispiel der Berliner Moderne zählt sie seit 2008 zum Unesco-Welterbe. Doch nun ging es um die kleinsten Details. Die Landschaftsarchitektin und der Ausstellungsdesigner stürzten sich in die Recherche.
„Damals wurde unmöbliert vermietet, und es gab auch keine fundierte wissenschaftliche Untersuchung zur Farbgestaltung und Möblierung“, sagt Ben Buschfeld. Grundsätzliches war klar, zum Beispiel, dass Bruno Taut starke Farben bevorzugte, aber Tapeten und zu viel Wandschmuck ablehnte. Wertvolle Hinweise lieferten Mietermagazine aus den 30er-Jahren, die den Bewohnern der modernen Siedlungen Tipps zur Einrichtung und Gartengestaltung gaben.
Die praktische Arbeit begann. Restauratoren wurden hinzugezogen, um originale Wandfarben freizulegen und zu begutachten, die Suche nach einem Experten für den damals beliebten Steinholz-Küchenfußboden, bestehend aus Sägespänen und Zement, begann. In Kellern von Nachbarn forschte das Paar nach Ofenkacheln, eine von außen unsichtbare Dachdämmung musste her. Und wo war ein speziell gedrechselter Griff für den Küchenschrank zu finden? „Viele Einrichtungsgegenstände und Geschirr haben wir auf Flohmärkten aufgestöbert oder im Internet ersteigert, anderes ließen wir nach eigenen Entwürfen vom Tischler nachbauen. Die Bettwäsche habe ich selbst handgefärbt“, so Katrin Lesser.
Weil in den 20er- und 30er-Jahren offensichtlich kein klares Farb- und Gestaltungsschema für die Bewohner der Hufeisensiedlung existierte, gewährte sich auch das Paar etwas Spielraum. So wirkt das blaue Schlafzimmer auch heute noch überraschend modern – „so hätte sich wahrscheinlich der Architekt selbst eingerichtet“, sagt Ben Buschfeld, während in der grünen Wohnstube auch eine etwas kleinbürgerliche Spitzendecke Platz finden darf.
Selbstverständlich war für die Landschaftsarchitektin Katrin Lesser, auch den Garten mit seinen alten Obstbäumen nach historischem zu Vorbild gestalten, inklusive blauweißen Staudenbeeten – passend zum Hausanstrich.
Der Garten ist für die Verhältnisse der Hufeisensiedlung übrigens relativ groß, weil das „Taute Heim“ am Ende einer Gebäudereihe steht und etwas vorspringt. Das Häuschen selbst hat eine Fläche von 65 Quadratmetern, auf zwei Stockwerken verteilen sich Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kammer und Bad. Die genaue Adresse soll an dieser Stelle nicht verraten werden, damit die Gäste ungestört bleiben. Wer sich selbst für einen Aufenthalt interessiert: Pro Nacht sind rund 150 Euro (für zwei Personen) zu zahlen.
Die Schau „Fünf Jahre Tautes Heim“ ist noch mindestens bis Mitte August geöffnet. In einem weiteren Raum gibt es eine Dauerausstellung zur Hufeisensiedlung. Ort: Café in der Info-Station, Fritz-Reuter-Allee 44, freitags und sonntags, 14–18 Uhr. Der Eintritt beträgt einen Euro. sus
Weitere Infos unter www.tautes-heim.de.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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