Seit 100 Jahren: Lernen in der Natur
Die August-Heyn-Gartenarbeitsschule zeigt eine Open-Air-Ausstellung über ihre Geschichte
Frösche quaken, Bienen summen, es blüht und gedeiht: In diesen Wochen ist es besonders schön, der Gartenarbeitsschule an der Fritz-Reuter-Allee 121 einen Besuch abzustatten. Und es gibt ein Extra: die neue Freiluftausstellung, die über die Geschichte informiert.
Wie berichtet, ist die Gartenarbeitsschule am 1. April 100 Jahre alt geworden. Das sollte gefeiert werden, doch die Corona-Krise kam dazwischen. Deshalb wurde der große Tag auf Freitag, 4. September, verschoben.
Aber dank der 18 Schautafeln, die das Museum Neukölln zusammengestellt hat, können sich Interessierte schon jetzt und in aller Ruhe mit der Gartenarbeitsschule beschäftigen, die die erste in ganz Deutschland war. Ihr heutiger Name erinnert an den damaligen Gründer und Lehrer August Heyn.
Er baute 1920 die Lehrstätte unter freiem Himmel auf – aber nicht am heutigen Standort, sondern östlich des Britzer Hafens. Die Lage am Teltowkanal war günstig, gab es dort doch immer genug Wasser für die Pflanzen. Außerdem lagen gleich nebenan Spiel- und Sportflächen. Von April bis Oktober kamen rund 2000 Kinder aus sechs Volksschulen, die jüngeren einmal pro Woche, die älteren zweimal. Sie hatten eigene Beete, wo sie Gemüse zogen, ein willkommener Beitrag für die oft notleidenden Familien. Doch der große Garten weckte auch Begehrlichkeiten: Ein Schuldiener mit Wachhund war vor Ort, um Diebe abschrecken.
Draußen rechnen und beten
Die Kinder wurden nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch in Naturkunde unterrichtet, außerdem gab es gab Zeit für Turnen und Bewegung plus eine Schulstunde nach Wahl des Lehrer. So wurde im Grünen gesungen, gerechnet, sogar gebetet. Übrigens bot die Einrichtung, damals wie heute, Platz für Tiere wie Hühner Kaninchen, Tauben, Ziegen und Bienen.
Das Modell machte schnell Schule, in Berlin und anderswo. Im Jahr 1936 gab es allein in Neukölln 13 Gartenarbeitsschulen. Denn auch die Nazis schätzten sie, bogen die Lehrinhalte allerdings im Sinne ihrer „Blut-und-Boden“-Ideologie zurecht. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren zwar noch fünf Schulen übrig, doch das Interesse am Pflanzen und Ernten schwand während des Wirtschaftswunders. Die Kaufkraft stieg, die Menschen genossen es, Gemüse bequem im Geschäft einzukaufen und sich über Selbstversorgung keine Gedanken mehr machen zu müssen.
30 000 junge Gäste jährlich
Heute gibt es im Bezirk nur noch die August-Heyn-Gartenarbeitsschule. Allerdings stehen seit vielen Jahren die Beschäftigung mit der Natur und Umwelterziehung hoch in Kurs. So kommen im Jahr etwa 30 000 Mädchen und Jungen gemeinsam mit ihren Lehrern, um zu säen, zu ernten, zu basteln, Marmelade zu kochen und viel über Pflanzen, Tiere und Ernährung zu lernen.
Bildungsstadträtin Karin Korte (SPD) betonte bei der Ausstellungseröffnung, wie wichtig für Kinder und Jugendliche Lernorte außerhalb der gewohnten Umgebung seien. Und sie freute sich, dass sie sich nicht nur mit der heutigen Leiterin, Yasmin Mosler-Kolbe, unterhalten konnte. Auch ihre beiden Vorgänger waren gekommen: Dieter Henning, der die Schule ab 1985 zehn Jahre lang leitete und dessen ganz besondere Leidenschaft den Bienen galt, und Auguste Kuschnerow, die zwei Jahrzehnte lang erfolgreich die Geschicke der Einrichtung lenkte.
Die August-Heyn-Gartenarbeitsschule ist montags bis donnerstags von 7 bis 15 Uhr und freitags von 7 bis 14 Uhr geöffnet und liegt etwa fünf Gehminuten von der U-Bahnstation Parchimer Allee entfernt. Wer vorbeikommt, wird gebeten, sich kurz bei einem Mitarbeiter anzumelden. Mehr Informationen gibt es unter ¿60 25 88 74, buero@ahgasn.de, www.ahgasn.de.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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