Wo früher der Zug fuhr
Ein Relikt des Treidelns an der Späthbrücke
Direkt an der gesperrten Alten Späthbrücke steht auf Britzer Seite ein niedriges, langgestrecktes Haus. Nur wenige wissen, dass es sich um einen alten Lokschuppen handelt.
Nanu, wo verlief denn hier eine Bahnstrecke? Die Antwort hat der Betrachter direkt vor der Nase: nämlich zu beiden Seiten des Teltowkanals. Hier fuhren früher kleine Treidel-Lokomotiven, die ihre Energie aus elektrischen Oberleitungen bezogen und mittels eines Stahlseils Schiffe hinter sich herzogen – anfänglich mit einer Geschwindigkeit von etwa vier Stundenkilometer, ab Mitte der Dreißigerjahre etwas schneller.
Die Erbauer des Teltowkanals, der 1906 eröffnet wurde, setzten von Anfang an aufs elektrische Treideln (von lateinisch trangulare, schleppen). Denn so konnte die öffentliche Hand viel Geld für die Unterhaltung des Wasserwegs sparen. Wellenschlag und Sog durch Schiffsmotoren wurden vermieden, Kanalgrund und -böschung geschont. Also baute man beidseitig zwei Meter breite Treidelwege, sogenannte Leinpfade, und verlegte Gleise entlang des knapp 40 Kilometer langen Kanals. Bis 1944 oder 1945 rollten hier die Treidelloks. Das Ende des Zweiten Weltkriegs brachte verheerende Zerstörungen mit sich – der Betrieb wurde nie mehr aufgenommen.
So alt wie der Kanal
Zurück zu dem Schuppen an der Späthstraße 41a. Hier war Platz, um die kleinen Zugmaschinen zu warten, zu pflegen und nachts unterzustellen. Denn getreidelt wurde nur tagsüber. Das Gebäude stammt aus der Zeit des Kanalbaus, mithin ist es mehr als 110 Jahre alt. Dass es die wechselvollen Zeiten überlebt hat, und dabei noch recht gut erhalten, ist etwas ganz Besonderes.
Ein paar Meter weiter gab es noch etwas Außergewöhnliches. In seinem Buch „Der Teltowkanal – Eine Lebensader im Süden Berlins“ schreibt Horst Köhler: „Der Leinpfad gabelt sich vor der Späthbrücke. Der eine Pfad führt weiter längs des Kanals unter der Brücke hindurch. Der andere führt stetig ansteigend bis auf Brückeniveau. Als die Treidelei noch betrieben wurde, lagen die Gleise über diese Brücke bis zum anderen Ufer und waren mit dem dortigen Gleissystem verbunden.“
Die Britzer konnten also früher beobachten, wie die Mini-Lokomotiven über den Kanal tuckerten, nach der Grünauer Brücke war das für sie die erste Übersetzmöglichkeit. Heute haben übrigens zwei Bootsbauer ihren Sitz in dem alten Lokschuppen.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.