Als die Lichter ausgingen
Über die Golpa-Leitung und die Berlin-Blockade
Auf einen ungewöhnlichen Straßennamen stößt der Spaziergänger, der an der Ortsteilgrenze zwischen Buckow und Britz unterwegs ist. Hier, zwischen Laubsängerweg und Teltowkanal, erstreckt sich der Hochspannungsweg.
An der Ecke Laubsängerweg steht ein ganz normales Straßenschild, daneben ein Zeichen, das den Hochspannungsweg als Sackgasse ausweist. Doch der Fußgänger oder Radler kann sich auf einem Pfad weiter zum Ortolanweg durchschlängeln, vorbei an einigen Gartenlauben und verwildertem Grün. Zwischen Ortolanweg und Kanal fehlt ein weiterer Hinweis auf den Hochspannungsweg, doch er zieht sich schnurgerade weiter bis zum Wasser.
Woher nun stammt der Name? Hier verlief einst die „Golpa-Leitung“, eine 110-Kilovolt-Hochspannungstrasse. Sie war deutschlandweit eine der ersten ihrer Art. 1918 errichtet, führte sie vom sachsen-anhaltinischen Kraftwerk Zschornewitz nach Berlin, um die Stadt und das Aluminiumwerk an der Rummelsberger Bucht mit Strom zu versorgen. Benannt wurde die Leitung nach dem Braunkohletagebau Golpa-Jeßnitz, das nur wenige Kilometer vom Kraftwerk entfernt lag und den nötigen Brennstoff für die Energieerzeugung lieferte.
Das heutige Neuköllner Gebiet erreichte die Stromleitung, von Marienfelde kommend, nördlich des Buckower Dorfkerns. Sie führte südlich am Krankenhaus an der Rudower Straße vorbei und verlief dann entlang des heutigen Hochspannungswegs. Nach der Überquerung des Teltowkanals ging es weiter durch die Königsheide zum südlichen Ufer des Britzer Verbindungskanals und über die Spree. An deren östlichen Ufer führten die Drähte schließlich noch zwei Kilometer flussabwärts bis zu dem Ort, an dem zwischen 1925 und 1927 das Kraftwerk Klingenberg gebaut wurde.
Die Golpa-Leitung gelangte 1948 zu internationaler Berühmtheit. In der Nacht zum 24. Juni kappten die Sowjets die Verbindung zwischen Großkraftwerk und West-Berlin: der Beginn der Berlin-Blockade. Wenige Stunden später wurden auch Zug- und Straßenverkehr unterbrochen, kurz danach die Binnenschiffverbindungen.
In West-Berlin gingen viele Lichter aus. Die wenigen Kraftwerke schafften es gerade einmal, ein Sechstel des zuvor verbrauchten Stroms zu produzieren. Zwar speisten sofort Kleinkraftwerke von Industriebetrieben wie Borsig einen Teil ihrer Produktion in die Leitungen ein. Dennoch: In der Regel gab es für die Bürger nur an zwei Stunden Elektrizität, in jedem Stadtteil zu einer anderen Zeit, auch mitten in der Nacht.
Beim Brennstoff für die Kraftwerke, der Kohle, herrschte ebenfalls schnell Knappheit. Sie musste mit den Flugzeugen der West-Alliierten herangeschafft werden. Für die Öfen der Wohnungen reichte das nicht. Für den gesamten Blockade-Winter erhielt jeder Haushalt nur einen halben Zentner. Die West-Berliner beschafften sich – obwohl streng verboten – Holz in den Wäldern oder in Parks, in denen bald kaum noch ein Baum stand.
Nach dem Ende der Berlin-Blockade im Mai 1949 ging die Stromversorgung West-Berlins von Zschornewitz aus nicht wieder in Betrieb. In den 50er-Jahren wurden die Hochspannungsleitungsmasten abgebaut. Wie mit dem Lineal gezogen: der nordöstliche Teil des Hochspannungswegs, der vom Ortolanweg zum Teltowkanal führt.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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