Wilde Kreaturen und ein Wichtel
Wie ein Kleingärtner das Arbeiten mit Holz und die Schnitzerei für sich entdeckte

Der Drache ist ein echter Blickfang. | Foto: M. Lutzner
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  • Der Drache ist ein echter Blickfang.
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Wer durch die Kleingartenanlage „Goldregen“ am Buckower Damm 70 streift, bleibt irgendwann staunend stehen: Ein fünf Meter langer Holzdrache grüßt vom Dach einer luxuriösen Hundehütte, daneben wacht ein Ritter, über dem Eingang zum Grundstück schwebt ein riesiger Adler.

Er möchte nur beim Vornamen genannt werden, Erwin heißt der Herr der Parzelle. Hier verbringt er einen großen Teil seiner Freizeit. Und davon hat er momentan mehr als erwünscht. Eigentlich Kraftfahrer im öffentlichen Dienst, wartet er nach heftigen gesundheitlichen Problemen auf eine Reha. Schlaf findet er wenig. „Mein Arzt hat gesagt, ich soll möglichst viel draußen sein und mich beschäftigen“, erzählt Erwin. Und so nahm das Ganze vor rund einem Dreivierteljahr seinen Lauf.

Erst ging es eher um praktische Dinge. Weil er den Pflanzen gerne beim Wachsen zusieht, baute er ein Gewächshaus aus alten Fenstern, ein Gewölbe zum Ranken aus Holzleisten, ein System aus Abwasserrohren, in denen Lauch & Co. gedeihen.Um den Hund vom Gemüsebeet fernzuhalten, folgten fantasievolle Regale und Zäune, unter anderem geschmückt von Miniaturen vom Reichstag und Brandenburger Tor. Schließlich sollte ein „Gartenwächter“ her, ein mittelgroßer Drache, gefertigt aus Zement und alten Kleidungsstücken. Es kam anders.

Es gab Holzreste vom Baumarkt geschenkt, der Lindwurm wuchs und wuchs und breitete seine Schwingen aus. „Das Ganze hat mich vielleicht fünf Euro und ein paar Schrauben gekostet“, sagt Erwin, der alle möglichen Materialien in seine Figuren verbaut hat – vom alten Offenrohr bis zu ausgedienten Unterlegmatten.

Fantastischer Zoo wächst

Ein Freund, der viel mit der Kettensäge arbeitet, brachte ihn schließlich zum Schnitzen. Angefangen hat es mit einem Bärenkopf. „Das hat wider Erwarten gut geklappt, da kam dann der Künstler durch.“ Schnell gesellten sich Häupter von Wolf, Raubvogel, Krokodil und andere Skulpturen hinzu. Immer rückt Erwin dem Holz erst mit der Kettensäge zu Leibe, dann geht es weiter mit Flex, Schleifmaschine, mit Messer und Stecheisen. Als Geschenk für einen angelnden Nachbarn hat er kürzlich ein Forellenrelief gefertigt, inzwischen eine seiner einfacheren Übungen.

Wesentlich anspruchsvoller ist der Gargoyle, eine geflügelte Kreatur mit schrecklicher Fratze und Krallen. Vorbilder dieser Wesen sind die figürlichen gotischen Wasserspeier, wie sie zum Beispiel an der Kathedrale Notre-Dame zu finden sind. Aber Erwin kann auch sanfter. Weil seine Freundin Weihnachtsdekoration liebt – ganz im Gegensatz zu ihm selbst –, hat er ihr aus einem passenden Stück Baumstamm einen Wichtel mit Zipfelmütze geschnitzt.

Dankbar ist der Hobbykünstler für seine toleranten Nachbarn. „Ein bisschen laut ist es schon“, räumt er ein. Doch es gibt echte Fans, so wie sein Parzellengegenüber Manfred Lutzner, der auch der Berliner Woche von dem kreativen Treiben in der Kolonie Goldregen berichtete. „Das ist toll, was er da macht“, sagt er. Das Lob ist Erwin fast schon zu viel. „Ich will einfach was zu tun haben. Wichtig ist, dass die Psyche beschäftigt ist.“

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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