Aus Begegnungen werden Freundschaften

Florence Mühlenbein lebt seit einigen Monaten im Reuterkiez. | Foto: Schilp
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Neukölln. Florence Mühlenbein lebt erst seit einigen Monaten in Neukölln, und ihr Ehrenamt zieht mit ihr mit: Sie sucht Familien, die Lust haben, ihr Zuhause ein paar Wochen oder Monate lang mit einem Gast aus einem fernen Land zu teilen.

Seit fünf Jahren arbeitet die junge Frau für den deutschlandweit tätigen und gemeinnützigen Verein „Experiment“, der sich seit 85 Jahren den Austausch zwischen Menschen auf die Fahnen geschrieben hat. Sie betreut Jugendliche und Erwachsene, die nach Deutschland kommen, knüpft Kontakte zu den Gastfamilien und ist ständige Ansprechpartnerin für beide Seiten.

Zurzeit geht es darum, neun Jungen im Alter von 15 bis 18 Jahren unterzubringen. Die meisten von ihnen kommen aus den USA und Brasilien. Sie wollen ein halbes oder ganzes Jahr in Berlin bleiben. „Häufig nehmen Eltern Gastschüler auf, deren Kind gerade selbst im Ausland ist“, sagt Florence Mühlenbein. Zuvor besuche sie die Familie, es gebe Kennenlerngespräche, sie schaue, wer zu wem passe.

„Eins ist klar: Die Gasteltern machen die Regeln. Für die aufgenommenen Jugendlichen gelten die gleichen Rechte und Pflichten wie für die eigenen Kinder.“ Das heiße aber auch umgekehrt: Einen Gastschüler ständig als Babysitter oder kostenlosen Englischlehrer einzuspannen, sei nicht Sinne des Austausches.

Neben den Langzeitbesuchern, die hier zur Schule gehen, gibt es auch Menschen, die nur für ein paar Wochen eine Bleibe und Kontakt zu einer deutschen Familie suchen. „Zum Beispiel kommt demnächst eine Gruppe von afrikanischen Studenten, die Deutschlehrer werden oder es schon sind“, erzählt Mühlenbein. Für sämtliche, aber vor allem für die Kurzzeitaufenthalte gilt: Nicht nur Paare, auch Alleinerziehende, Rentner oder Wohngemeinschaften können sich als Gastgeber bewerben.

Sie habe es oft mit „Wiederholungstätern“ zu tun, erzählt Mühlenbein. Denn wer einmal gute Erfahrungen mit einem Familienmitglied auf Zeit gesammelt habe, wolle das noch einmal erleben. Und viele Kontakte reißen nach der Abreise nicht ab: „Es ist immer toll zu sehen, wie aus Begegnungen echte Freundschaften entstehen.“

Florence Mühlenbein hat nicht zufällig zu diesem Ehrenamt gefunden. In ihrem eigenen Elternhaus waren Gastschüler willkommen. Und sie selbst bewarb sich nach Abschluss ihres Bachelor-Studiums der Kulturwissenschaft für einen dreiwöchigen Aufenthalt in Izmir und Istanbul.

„Ich habe eine ganz wunderbare Gastfreundschaft erlebt, meine türkische Familie hat zum Beispiel jeden Tag etwas anderes auf den Tisch gebracht, damit ich die Vielfalt der Küche kennenlerne“, erzählt sie. Der Aufenthalt hatte Folgen: Sie begann türkisch zu lernen und kehrte für längere Zeit an den Bosporus zurück.

Übrigens bietet „Experiment“ nicht nur Programme für junge Menschen an. Es gibt Freiwilligendienste, für die keine Altersgrenze gilt, und gemeinsam mit der Seniorenliga sollen noch in diesem Jahr Auslandsstipendien für Menschen über 50 Jahren ausgeschrieben werden. sus

Wer einen Gast aufnehmen möchte, erfährt Weiteres auf www.experiment-ev.de/gastfreundlich.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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