„Wir müssen Privatsphäre garantieren“
Thomas de Vachroi möchte ein Zentrum für Obdachlose aufbauen – einzigartig in Berlin
Thomas de Vachroi hat eine Vision: ein Ort, an dem obdachlose Menschen zur Ruhe kommen. Wo sie mit Kleidung und Essen versorgt werden. Wo sie eine maßgeschneiderte Beratung und echte Hilfe erwarten können. „Das wäre eine Pionierleistung“, sagt er.
Thomas de Vachroi ist nicht irgendwer. Er leitet das Haus Britz des Diakoniewerks Simeon an der Buschkrugallee, wo mehr als 60 Mietparteien leben. Er ist Armutsbeauftragter der Diakonie und Sozialbeauftragter der Neuköllner CDU. Viel Lob erntete er 2015, als er das alte Wilmersdorfer Rathaus am Fehrbelliner Platz innerhalb von sieben Monaten in eine vorbildliche Flüchtlingsunterkunft für mehr als tausend Menschen verwandelte. „Ich habe so etwas wie eine eigene Stadt aufgebaut“, sagt er.
Ähnliches stellt er sich für das Obdachlosenzentrum vor. Dort soll es alles geben, was am nötigsten gebraucht wird. Zentral seien soziale Beratungen, um herauszufinden, wo die Fähigkeiten und Bedürfnisse des Einzelnen liegen, wo der richtige Ansatzpunkt für Unterstützung ist. In einem Begegnungscafé können Kontakte und eventuelle Patenschaften vermittelt werden.
Ein Laden mit hochwertiger Second-Hand-Kleidung – Vorbild ist Oxfam – versorgt die Bedürftigen kostenlos, alle andere Kunden zahlen einen Mindestpreis. Dass sowohl Café als auch Laden sich nach außen öffnen, sei wichtig. „Wir wollen keine Ghettoisierung“, sagt de Vachroi mit Nachdruck.
Fehlstelle Übernachtungen
Die Neuköllner Tee- und Wärmestube der Diakonie solle ins Zentrum integriert werden. Der heutige Standort an der Weisestraße 34 platze aus allen Nähten. Dort können Obdachlose essen, trinken, gemeinsam kochen, duschen, Wäsche waschen und einiges mehr. Nicht möglich sind allerdings Übernachtungen.
Das soll sich im neuen Zentrum ändern. Rund 50 Plätze für „Notübernachtungen“ schweben Thomas de Vachroi vor. Wobei der Begriff weit zu fassen ist. „Nach sechs bis zwölf Monaten sollte eine dauerhaftere Lösung gefunden sein“, sagt er. Aber bis dahin könnten Menschen im Zentrum leben – in festen Zimmern für maximal zwei Personen, ausgenommen eventuelle Familienzimmer.
„Die Obdachlosen müssen ihren Raum abschließen können. So finden sie Ruhe und haben keine Angst, bestohlen zu werden. Wer auf der Straße lebt, steht unter Dauerstress, das gesamte Leben ist öffentlich. Wir müssen Privatsphäre garantieren“, so de Vachroi. Für Frauen seien Einzelzimmer ganz besonders wichtig. „Ihr Anteil an den Obdachlosen nimmt zu und die Zahl der Angriffe ist nicht zu unterschätzen.“
Er möchte es auch möglich machen, dass die Menschen im Zentrum mithelfen – wenn sie wollen. Das Gefühl, gebraucht zu werden, sei vielen wichtig. Auf jeden Fall werde niemand nach dem Frühstück zurück auf die Straße geschickt, die Einrichtung soll rund um die Uhr geöffnet sein. „U-Bahn-Schächte, Brücken und Parks sind keine Wohnräume, das darf der Staat nicht dulden. Die Politik muss diesen Menschen ihr Leben zurückgeben“, so de Vachroi.
Zusammenarbeit mit Botschaften
Bei geschätzt der Hälfte der Obdachlosen in Berlin ist es recht kompliziert, zu helfen, weil sie aus Ländern wie Polen, Bulgarien, Rumänien oder Tschechien kommen. Hier müsste mit den Botschaften zusammengearbeitet werden, damit zumindest genügend Dolmetscher zur Verfügung stünden. Eine Rückführung in die Heimatländer schließt de Vachroi nicht aus, das steht für ihn aber nicht im Vordergrund. „Ich bin kein Richter über solche Angelegenheiten.“
Seine Ideen haben bereits Befürworter gefunden, so wie Eva-Marie Schoenthal (SPD), Vorsitzende des bezirklichen Sozialausschusses, und Bernd Szczepanski, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Die CDU-Bezirksverordnete Brigitte Gloeden hat kürzlich einen Antrag gestellt, der mehrheitlich angenommen wurde: Das Bezirksamt solle prüfen, ob die Flüchtlingsunterkunft an der Karl-Marx-Straße 269 (alter Bewag-Sportplatz) in Zukunft ein geeigneter Standort für das Obdachlosenzentrum sein könnte. Falls nicht, solle ein anderer Platz gesucht werden.
Thomas de Vachroi glaubt, dass noch viel Arbeit zu leisten ist. „Wenn aber alle gesellschaftlichen Kräfte mitziehen, dann könnte es innerhalb der nächsten zwei Jahre klappen.“
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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