Grüne Lernorte – erfunden in Neukölln
Vor 100 Jahren gründete der Lehrer August Heyn die erste Gartenarbeitsschule Berlins
Es war am 1. April vor 100 Jahren: Die erste Gartenarbeitsschule Berlins eröffnete – in Neukölln, am Teltowkanal, nahe der Grenzallee. Dieses Jubiläum sollte im Mai groß gefeiert werden. Doch wegen der Corona-Krise muss das Ganze verschoben werden, voraussichtlich auf den 4. September.
Stattfinden sollte das Fest auf dem Gelände der heutigen Gartenarbeitsschule an der Fritz-Reuter-Allee 124. Sie trägt den Namen des Mannes, dem diese Einrichtungen zu verdanken sind. August Heyn (1879–1959) war nicht nur Volksschullehrer, Schulreformer und SPD-Stadtverordneter, sondern auch leidenschaftlicher Gärtner.
Bereits 1915 schuf er „Schulkolonien“ in Neukölln. Mit Freiwilligen aus kinderreichen, armen Familien bearbeitete er Land, baute Gemüse und Obst an. Jedes Kind durfte ein eigenes, rund 100 Quadratmeter großes Stück bewirtschaften. So wollte der Pädagoge nicht nur die katastrophale Ernährungslage mildern, sondern den Mädchen und Jungs auch die Natur näher bringen und sie von der Straße holen.
Andere Bezirke ziehen nach
Heyn wurde noch 1918, im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs, eingezogen. Nach der Rückkehr fand seine Idee, regelrechte Gartenarbeitsschulen aufzubauen, bald Zustimmung in der Politik, und er wurde mit Organisation und Leitung betraut. So kam es, dass er 1920 die erste Schule dieser Art eröffnen konnte. Es folgten andere Bezirke, allein in Neukölln wurden bis 1924 sechs weitere Gartenarbeitsschulen gegründet.
Heute gibt es hier nur noch eine einzige, jene an der Fritz-Reuter-Allee. Gegründet wurde sie 1958, auf Ackerflächen des Gutshofs Britz. Die Ziele haben sich seit Heyns Zeiten kaum verändert: Hier lernen Kinder etwas über Natur und Ernährung, sie können sich bewegen und an der frischen Luft arbeiten. Sie legen Beete an, ernten Gemüse, basteln, imkern, pressen Apfelsaft, kochen Marmelade und vieles andere mehr.
Naturzugang für Großstadtkinder
Außerdem kommen sie in Kontakt mit Tieren, zum Beispiel mit Kaninchen, Schafen, Meerschweinchen, Schmetterlingen oder Ameisen. Etwa 30 000 Besucher zählt die Einrichtung jedes Jahr, einige Schulklassen sind gemeinsam mit ihren Lehrern mehrmals die Woche zu Gast, andere nur alle Vierteljahre. Viele erwachsene Neuköllner kennen das Gelände, weil sie gerne die Herbstfeste und Weihnachtsmärkte besuchen.
Eine besondere Würdigung wurde August Heyn übrigens Ende März zuteil: Der Senat erklärte seine letzte Ruhestätte zum Berliner Ehrengrab. Zu finden ist es auf dem Friedrichwerderschen Friedhof II an der Bergmannstraße in Kreuzberg. Für das Ehrengrab eingesetzt hatte sich der Förderverein der Gartenarbeitsschule zusammen mit Schulstadträtin Karin Korte (SPD).
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.