Buckowerin verarbeitet Schicksalsschlag in einem Buch
Renate Preußler ist etwas geschehen, das für eine Mutter der schlimmste Schicksalsschlag überhaupt sein kann: Ihr Sohn Oliver ist tot. Vor zwei Jahren nahm er sich im Alter von 44 Jahren das Leben. In der elterlichen Garage in Buckow vergiftete er sich mit Autogasen und ging dabei kein Risiko ein, frühzeitig von seiner Mutter gefunden zu werden. Für die Familie brach danach eine schwere Zeit an. Renate Preußler, ihre in Oberbayern lebende Tochter und ihr Ehemann versuchten zu verstehen, was geschehen war. "Zuerst verstand ich diesen Schritt meines Sohnes nicht", sagt die 74-jährige Mutter heute. "Aber später, als ich begann, in sein Leben einzutauchen, gelang es mir immer besser."
Geholfen hat ihr dabei vor allem das Schreiben. Im Rahmen eines Literaturkurses begann die pensionierte Grundschullehrerin zunächst einige Texte zu verfassen. Daraus wurde im Laufe eines Jahres ein Buch. Schritt für Schritt schildert die Mutter darin den Lebensweg ihres Sohnes, illustriert mit Fotos aus seinen Lebensperioden und mit einzelnen Kapiteln von Familienangehörigen und Freunden: Oliver in seiner Kindheit und Jugend, danach ein Medizinstudium, das er abbrach. Es folgte eine Brauerei-Lehre und ein Studium der Brauereiwissenschaften an der TU. Oliver ging beruflich nach Japan, managte dort Kaffeeröstereien. Verheiratet mit einer Japanerin kam er zurück, eröffnete in Spandau eine Kaffeerösterei mit seiner Frau - und wurde auch damit nicht glücklich. Nach zehn Jahren gab er den Betrieb auf. Seine Ehe scheiterte und er bezog wieder sein Zimmer im Elternhaus. "Oliver spürte die ganze Zeit, dass etwas mit ihm nicht stimmte, er war extrem ehrgeizig und suchte immer neue Herausforderungen. Er wandelte auf einem schmalen Grat", so die Mutter.
Nächtelang hatte sie in seinen letzten drei Lebensjahren mit ihm diskutiert. Über sein Leiden, seine extremen Kopfschmerzen, sein ungeborenes Kind, das zwei Tage nach seinem Freitod auf die Welt kam. Aber erst durch die Niederschrift ihrer Gedanken und Gefühle konnte die Mutter allmählich begreifen, warum ihr Sohn lebensmüde geworden war: "Oliver war hochsensibel. Es fehlte ihm eine stabile Haut, die ihn schützte", sagt Renate Preußler. Ihrem Sohn zuliebe lebt sie weiter. "Das wünschte er sich in seinem Abschiedsbrief", erzählt die Mutter. Und ganz allmählich hat die Frau, die viel spazieren geht, schreibt, malt und täglich schwimmt, auch wieder Freude am Leben gefunden. Renate Preußler: "Mit meinem Buch möchte ich auch anderen Eltern helfen und ihnen zeigen, wie man mit einem solchen Schicksal fertig werden kann."
Autor:Sylvia Baumeister aus Neukölln |
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