Siedler fürchten um ihr Zuhause
Hauseigentümer sollen Grundstücke kaufen oder ein Vielfaches ihrer bisherigen Erbpacht zahlen
Rund 90 Familien in den Kleinsiedlungen Neue Heimstatt in Buckow und Am Vogelwäldchen in Rudow sind beunruhigt. Ihre Pachtverträge sollen 2031 beziehungsweise 2033 auslaufen. Zwar könnten sie ihre Grundstücke kaufen – doch das kann sich kaum jemand leisten.
Jayne und Herbert Hallwas haben vor 30 Jahren ihre Doppelhaushälfte am Grauwackeweg in der Neuen Heimstatt erworben. Noch ist sie nicht abbezahlt. Im Laufe der Zeit haben sie zudem Zehntausende Euro in Sanierung und Ausbau des Gebäudes gesteckt, das bei Übernahme in einem beklagenswerten Zustand war. Jayne Hallwas, die walisische Wurzeln hat, nennt es liebevoll „crooked house“, krummes Haus. „Alle Wände sind schief“, sagt sie. Urlaubsreisen sind für das Paar nur ganz selten drin, aber es ist zufrieden, der eigene Garten entschädigt.
Wie jeder normale Eigentümer zahlen die beiden alle anfallenden Kosten, darin ist auch eine geringe Erbpacht für das Grundstück enthalten. Denn: Der Boden ist öffentliches Eigentum. Die Stadt Berlin ließ die Siedlung 1952 bis 1955 von Lehrlingen bauen, die Anlage Am Vogelwäldchen entstand Anfang der Sechzigerjahre. Einzugsbedingungen waren ein Wohnberechtigungsschein und zwei Kinder. Das hat sich bis heute nicht geändert. „Die Siedlungen waren immer mit einem sozialen Gedanken verknüpft“, sagt Martin Hermann. Er ist Sprecher der Siedlerinitiative, seine Eltern leben seit Jahrzehnten in der Neuen Heimstatt.
Verträge nicht selbstverständlich verlängert
Die Bewohner der beiden Gebiete waren immer ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Verlängerungen der Pachtverträge eine reine Formsache sei. Bis 2006. Völlig unerwartet ließ das Land Berlin mitteilen, dass eine Verlängerung nicht vorgesehen sei und fragte nach, wer sich vorstellen konnte, das Land zu kaufen. Etliche bekundeten Interesse. Erst drei Jahre später kamen konkrete Zahlen auf den Tisch, einige machten erschreckt einen Rückzieher, weil die Preise ihre finanziellen Möglichkeiten weit überstiegen. Dennoch: In der Neuen Heimstatt kauften 87 von 164 Siedlern, Am Vogelwäldchen waren es 20 von 30.
Andere überlegten oder sparten noch. Für sie folgte eine weitere böse Überraschung. „2013 wurden die Verkäufe plötzlich ohne Ankündigung gestoppt, erst 2017 ging es weiter“, berichtet Hermann. Doch jetzt waren die Preise um das Dreifache gestiegen. Die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) – sie untersteht der Senatsfinanzverwaltung – verlangte nun bis zu 200 000 Euro für eines der knapp 700 Quadratmeter großen Grundstücke. Die BIM habe die Preise an den ganz normalen Bodenrichtwert gekoppelt und der steige ständig, so Hermann. Vom sozialen Gedanken keine Spur mehr.
Jayne und Herbert Hallwas können sich einen Kauf im Traum nicht vorstellen. „In unserem Alter gibt uns doch niemand mehr einen Kredit“, sagen sie. Sie mögen gar nicht daran denken, in zwölf Jahren ausziehen zu müssen und nicht nur ihr Haus, sondern auch die gewachsene Gemeinschaft zu verlieren. „Hier ist man füreinander da. Wir feiern auch viel zusammen: Osterfeuer, Fußball schauen, Sommerfest, Fasching“, erzählt Jayne Hallwas.
Alternative teure Pacht
Im Jahr 2017 machte – wieder völlig unerwartet – die damalige Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) das Angebot, die Pachtverträge doch zu verlängern. Allerdings hätten die Siedler dann rund 600 Euro im Monat mehr als jetzt bezahlen müssen, und zwar ab sofort. Giffeys Nachfolger Martin Hikel (SPD) hat im März dieses Jahres nun von der Möglichkeit gesprochen, die Pachterhöhung zu staffeln, aber auch dann kämen mehrere hundert Euro Mehrbelastung pro Monat auf die Siedler zu. Noch habe sich niemand entschieden, so Hermann.
Das Bezirksamt habe aber in dieser Sache keine eigene Regelungshoheit, sie liege letztlich in den Händen des Senats, so Bürgermeister Hikel. Er sagt jedoch zu, sich in Kürze mit den Siedlern zu treffen und über Lösungsmöglichkeiten zu sprechen.
Die Abgeordnete Gaby Gottwald (Linke), Mitglied des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen, teilt mit, die Behörde für Stadtentwicklung habe das erklärte Ziel, die Siedlungen in öffentlichem Besitz zu belassen. Derzeit bemühe sie sich um eine „Neuzuordnung der Grundstücke“. Gottwald: „Welcher öffentliche Träger dann die Grundstücke erhält und sie in Erbpacht weiter vergibt, muss mit der Finanzbehörde abgeklärt werden.“
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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