Wie im Wilden Westen
Firma ignoriert Denkmalschutz und reißt altes Kesselhaus ab
Die Gesellschaft Berlinbiotechpark hat das alte Kesselhaus auf dem ehemaligen Gelände der Schering AG an der Max-Dohrn-Straße abreißen lassen. Es stand unter Denkmalschutz und jetzt wird an allen Fronten gegen die Eigentümer-Gesellschaft ermittelt.
Das Kesselhaus mit seinen markanten Schornsteinen wurde in den Jahren 1958 und 1959 errichtet. Zusammen mit dem Fabrikgebäude aus dem Jahr 1895 und einem 1939 gebauten Verwaltungsgebäude, das zwischenzeitlich als Krankenhaus Jungfernheide genutzt wurde, und einem Labor bildet es ein Ensemble, das unter Denkmalschutz steht, gilt seit 1995 aber auch als Einzeldenkmal.
„Im Oktober erreichte uns die Nachricht, dass der Eigentümer mit den Abrissarbeiten begonnen hat“, berichtete Remzy Karaalp, Leiter der Stelle für Rechtsangelegenheiten, Abteilung Stadtentwicklung, während eines eigens anberaumten Pressegesprächs im Büro von Grünen-Baustadtrat Oliver Schruoffeneger. „Wir haben uns dann an Ort und Stelle davon überzeugen können, haben einen Baustopp verhängt und ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Das Landesamt für Gesundheit, technische Sicherheit und Arbeitsschutz (LaGetSi) hatte einen sofortigen Baustopp verhängt“, fuhr Karaalp fort.
Davon ließ sich niemand beeindrucken, im Dezember wurden die Abrissarbeiten fortgesetzt. „Am 17. Dezember sind wir erneut dorthin gefahren und haben einen erneuten Baustopp angeordnet, da waren etwa 75 Prozent des Kesselhauses schon verloren. Einen Tag später bekamen wir dann vom Eigentümer die Nachricht, dass der Rest nun eingestürzt sei.“ Karaalp war merklich fassungslos ob des Tatsachen schaffenden Vorgehens. Zum einen, weil der Berlinbiotechpark bereits im Juli klipp und klar gesagt worden sei, dass das Kesselhaus unter Denkmalschutz steht, und zum anderen, weil das Wirken der ehemaligen Schering AG ein Stück Industriegeschichte von Charlottenburg und Berlins widerspiegele. „Das ist schon eine besondere Form der Dreistigkeit“, ergänzte Schruoffeneger.
Zwischen den beiden Abriss-Aktivitäten war die Bauaufsicht des Bezirks vor Ort. Weil der Kamin der Ruine auf ein benachbartes und in Betrieb befindliches Gebäude hätte stürzen können, hatte es sieben Mietern der Berlinbiotechpark dessen Nutzung untersagt. Beim Überprüfen wurde Jens Rehm von der Rechtsabteilung der Zugang verwehrt. „Es gab Handgreiflichkeiten und wir haben bei der Polizei Amtshilfe beantragt. Die sind dann mit vier Streifenwagen vorgefahren“, erzählte Jana Jaeuthe von der Bauaufsicht. Immerhin: Der Nutzungsuntersagung wurde Folge geleistet.
Gefallen lassen will sich der Bezirk das Gebaren der Eigentümerin freilich nicht. Wegen des nicht genehmigten Abrisses eines Baudenkmals kann die Firma mit bis zu 500.000 Euro Bußgeld belegt werden. Dazu wird geprüft, ob sie das Gebäude wiederherstellen muss. Weil auf der Baustelle gefährliche Baustoffe wie Asbest sowie Chemikalien „kreuz und quer“ umher lagen, wie der Leiter des Umweltamtes, Wilhelm-Friedrich Graf zu Lynar, sagte, ermittele die Umwelt-Kripo und das LKA. „Das kann im Extremfall bis zur Gefängnisstrafe führen.“ Die Senatsverwaltung hat dem Unternehmen eine Anordnung auferlegt, wonach die Bauabfälle bis zum Abschluss der Untersuchungen nicht abtransportiert werden dürfen.“ Schruoffeneger kündigte zudem an, aus wirtschaftsrechtlicher Sicht die Zuverlässigkeit des Geschäftsführers überprüfen zu lassen. „Ist er es nicht, darf er kein Unternehmen führen.“
Pikant: Ein anderes Unternehmen reichte während des grotesken Szenarios am S-Bahnhof Jungfernheide einen Antrag auf einen Bauvorbescheid für einen Hotel- und/oder Büro-Komplex ein. „Die beiden Firmen sind voneinander unabhängig, wir gehen aber davon aus, dass sie sich abgesprochen haben“, sagte Jens Ehm. Eine derartige Nutzung des Areals wäre höchst lukrativ und würde Bußgelder verschmerzen lassen. Von Unwissenheit könne jedenfalls keine Rede sein, sagte Schruoffeneger. Und: „Es gibt sicher intelligentere Wege, eine Behörde von einer Nutzungsänderung zu überzeugen.“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.