Ein bewegender Akt bei der Namensgebung
Schulabteilung der Jugendstrafanstalt heißt jetzt Helmuth-Hübener-Schule

Anstaltsleiter Bill Borchert, Schulleiterin Birgit Lang und Justizsenator Dirk Behrendt freuen sich: Die Schule der Einrichtung hat nun einen Namen. Im Hintergrund die Schauspieltruppe junger Inhaftierter, die das Leben Helmuth Hübeners skizzierte, vor dem gefängnismauerhohen Konterfei des Namenspatrons, erstellt vom Streetart-Duo Selfmadecrew.  | Foto: JSA Berlin
2Bilder
  • Anstaltsleiter Bill Borchert, Schulleiterin Birgit Lang und Justizsenator Dirk Behrendt freuen sich: Die Schule der Einrichtung hat nun einen Namen. Im Hintergrund die Schauspieltruppe junger Inhaftierter, die das Leben Helmuth Hübeners skizzierte, vor dem gefängnismauerhohen Konterfei des Namenspatrons, erstellt vom Streetart-Duo Selfmadecrew.
  • Foto: JSA Berlin
  • hochgeladen von Matthias Vogel

Mit einem bewegenden Festakt ist kürzlich die Schule der Jugendstrafanstalt Berlin in Helmuth-Hübener-Schule benannt worden. 18 inhaftierte Jugendliche skizzierten mit einer packenden szenischen Lesung das Wirken und den Tod des Namenspatrons – das sorgte für Gänsehaut auf den Sitzen.

„Halt! Was macht ihr da!“, brüllt die Obrigkeit. Kurz bevor die vier Jungs festgenommen werden, schleudert einer von ihnen noch den Rest Flugblätter in die Luft. Auf die Gäste in den ersten beiden Reihen regnet es Parolen wie „Nieder mit Adolf Hitler – er lügt!“. Im Alter von 16 Jahren begann Helmuth Hübener, den britischen Sender BBC abzuhören und verfasste mit drei Freunden antifaschistische Flugblätter, die das Unrecht der Nazi-Herrschaft anprangerten. Er wurde deshalb wegen Hochverrats angeklagt und zum Tode durch das Fallbeil verurteilt. Am 27. Oktober 1942 wurde er als jüngstes Opfer in der Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee von den Nazis ermordet.

Schulleiterin Birgit Lang bewegte die Inszenierung

Sein „Vergehen“ und sein Ende spielten die Laien eindrücklich nach, die Texte wirkten nicht auswendig gelernt, sondern wurden mit Leidenschaft vorgetragen. Das gescheiterte Gnadengesuch von Mutter Emma, sein Gebaren kurz vor dem Tod – all das holte das grausige Geschehen in die Gegenwart und nicht nur Schulleiterin Birgit Lang bewegte die Inszenierung: „Ich habe das nun schon so oft gesehen, und bekomme immer wieder eine Gänsehaut.“

Die intensive Auseinandersetzung der jungen Männer mit der Geschichte Hübeners war so ganz nach dem Geschmack von Anstaltsleiter Bill Borchert, der laut Lang großen Wert auf Pädagogik innerhalb der Jugendstrafanstalt lege. „Einer der Darsteller hat mich mit großen Augen angesehen, als ihm bekannt wurde, dass das Todeshaus genau dort stand, wo heute der Sportplatz ist“, erzählte er. „Das hätte er ja gar nicht gewusst, hat er mir entsetzt gesagt.“

2017 hat die Jugendstrafanstalt ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert. 1987 wurde sie aus der Justizvollzugsanstalt ausgegliedert und zog in den Neubau am Friedrich-Olbricht-Damm 40. Genauso lange gibt es die Schulabteilung schon. Um einen Namen für die Bildungseinrichtung, an der heute zehn Pädagogen und Sonderpädagogen den Inhaftierten dabei helfen, Schulabschlüsse nachzuholen, kümmerte sich lange niemand. Auf Initiative von Borchert, seit drei Jahren Anstaltsleiter, und Lang, seit zwei Jahren Schulleiterin, machte man sich nun auf die Suche.

Warum die Wahl dann auf Helmuth Hübener fiel, begründete Borchert so: „Seine Zivilcourage und sein kompromissloses Eintreten für die Freiheit als Grundrecht sind ein Vorbild für uns alle, den Mut zu haben, für die eigene Meinung einzustehen und sich für die Freiheit und gegen die Diskriminierung und Marginalisierung von Minderheiten zu engagieren. Unsere Schule will mit dieser Namensgebung das Andenken Helmuth Hübeners bewahren.“ Bereits zuvor hatte Justizsenator Dirk Behrendt (Bündnis 90/Grüne) befunden: „Die Erinnerung an Helmuth Hübener ist wichtig, weil sein Schicksal eindringlich zeigt, was es bedeutet, wenn Grundrechte außer Kraft gesetzt werden. Helmuth Hübener kann gerade auch für diejenigen ein Vorbild sein, die heute so alt sind wie er damals. Ein Vorbild für die jungen Menschen in unserer Gesellschaft.“

Eine Ausstellung zum Thema, der von Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, bewegend und minutiös dargestellte Abriss der letzten Tage Hübeners, und die feierliche Enthüllung des Namensschildes machten einen außergewöhnlichen Festakt perfekt.

Anstaltsleiter Bill Borchert, Schulleiterin Birgit Lang und Justizsenator Dirk Behrendt freuen sich: Die Schule der Einrichtung hat nun einen Namen. Im Hintergrund die Schauspieltruppe junger Inhaftierter, die das Leben Helmuth Hübeners skizzierte, vor dem gefängnismauerhohen Konterfei des Namenspatrons, erstellt vom Streetart-Duo Selfmadecrew.  | Foto: JSA Berlin
Beim Verteilen antifaschistischer Flugzettel in flagranti ertappt und inhaftiert wurden damals Helmuth Hübener und seine drei Freunde. Hübener wurde von den Nazis zum Tode verurteilt und ermordet. Die Laien der Jugendstrafanstalt spielten die Geschehnisse sehr eindrücklich nach.  | Foto: JSA Berlin
Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

7 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 407× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 1.012× gelesen
Gesundheit und Medizin
Das Dominikus Krankenhaus informiert zur Robotik-Chirurgie bei Hüft- und Knieschmerzen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Moderne Behandlung bei Hüft- und Knieschmerzen
Informationsabend Robotik-Chirurgie

Hüft- und Knieschmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität und werden oft durch Verschleiß, Unfälle oder Fehlstellungen verursacht. Moderne Technologien wie die Robotik-Chirurgie bieten neue Möglichkeiten für eine präzisere und minimalinvasive Behandlung. Am 4. Januar laden wir Sie herzlich zu einem Informationsabend ein, bei dem Chefarzt Tariq Qodceiah, Leiter des Caritas Hüftzentrums, die Vorteile der Robotik-Chirurgie bei Hüft- und Knieschmerzen erläutert. Er erklärt, wie diese innovative...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 612× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.