Ein bewegender Akt bei der Namensgebung
Schulabteilung der Jugendstrafanstalt heißt jetzt Helmuth-Hübener-Schule
Mit einem bewegenden Festakt ist kürzlich die Schule der Jugendstrafanstalt Berlin in Helmuth-Hübener-Schule benannt worden. 18 inhaftierte Jugendliche skizzierten mit einer packenden szenischen Lesung das Wirken und den Tod des Namenspatrons – das sorgte für Gänsehaut auf den Sitzen.
„Halt! Was macht ihr da!“, brüllt die Obrigkeit. Kurz bevor die vier Jungs festgenommen werden, schleudert einer von ihnen noch den Rest Flugblätter in die Luft. Auf die Gäste in den ersten beiden Reihen regnet es Parolen wie „Nieder mit Adolf Hitler – er lügt!“. Im Alter von 16 Jahren begann Helmuth Hübener, den britischen Sender BBC abzuhören und verfasste mit drei Freunden antifaschistische Flugblätter, die das Unrecht der Nazi-Herrschaft anprangerten. Er wurde deshalb wegen Hochverrats angeklagt und zum Tode durch das Fallbeil verurteilt. Am 27. Oktober 1942 wurde er als jüngstes Opfer in der Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee von den Nazis ermordet.
Schulleiterin Birgit Lang bewegte die Inszenierung
Sein „Vergehen“ und sein Ende spielten die Laien eindrücklich nach, die Texte wirkten nicht auswendig gelernt, sondern wurden mit Leidenschaft vorgetragen. Das gescheiterte Gnadengesuch von Mutter Emma, sein Gebaren kurz vor dem Tod – all das holte das grausige Geschehen in die Gegenwart und nicht nur Schulleiterin Birgit Lang bewegte die Inszenierung: „Ich habe das nun schon so oft gesehen, und bekomme immer wieder eine Gänsehaut.“
Die intensive Auseinandersetzung der jungen Männer mit der Geschichte Hübeners war so ganz nach dem Geschmack von Anstaltsleiter Bill Borchert, der laut Lang großen Wert auf Pädagogik innerhalb der Jugendstrafanstalt lege. „Einer der Darsteller hat mich mit großen Augen angesehen, als ihm bekannt wurde, dass das Todeshaus genau dort stand, wo heute der Sportplatz ist“, erzählte er. „Das hätte er ja gar nicht gewusst, hat er mir entsetzt gesagt.“
2017 hat die Jugendstrafanstalt ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert. 1987 wurde sie aus der Justizvollzugsanstalt ausgegliedert und zog in den Neubau am Friedrich-Olbricht-Damm 40. Genauso lange gibt es die Schulabteilung schon. Um einen Namen für die Bildungseinrichtung, an der heute zehn Pädagogen und Sonderpädagogen den Inhaftierten dabei helfen, Schulabschlüsse nachzuholen, kümmerte sich lange niemand. Auf Initiative von Borchert, seit drei Jahren Anstaltsleiter, und Lang, seit zwei Jahren Schulleiterin, machte man sich nun auf die Suche.
Warum die Wahl dann auf Helmuth Hübener fiel, begründete Borchert so: „Seine Zivilcourage und sein kompromissloses Eintreten für die Freiheit als Grundrecht sind ein Vorbild für uns alle, den Mut zu haben, für die eigene Meinung einzustehen und sich für die Freiheit und gegen die Diskriminierung und Marginalisierung von Minderheiten zu engagieren. Unsere Schule will mit dieser Namensgebung das Andenken Helmuth Hübeners bewahren.“ Bereits zuvor hatte Justizsenator Dirk Behrendt (Bündnis 90/Grüne) befunden: „Die Erinnerung an Helmuth Hübener ist wichtig, weil sein Schicksal eindringlich zeigt, was es bedeutet, wenn Grundrechte außer Kraft gesetzt werden. Helmuth Hübener kann gerade auch für diejenigen ein Vorbild sein, die heute so alt sind wie er damals. Ein Vorbild für die jungen Menschen in unserer Gesellschaft.“
Eine Ausstellung zum Thema, der von Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, bewegend und minutiös dargestellte Abriss der letzten Tage Hübeners, und die feierliche Enthüllung des Namensschildes machten einen außergewöhnlichen Festakt perfekt.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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