Die Führungsunterstützer
Charlottenburg-Nord hat wieder eine Freiwillige Feuerwehr
Nische erkannt und besetzt. Fünf – nach eigenem Bekunden „etwas verrückte“ – Feuerwehrmänner haben der alten Wache in der Paulsternstraße wieder Leben eingehaucht. Seit einem halben Jahr hat Charlottenburg-Nord nun eine Freiwillige Feuerwehr. Eine, die ein klein wenig anders tickt.
Sebastian Rak hat bei der Berliner Berufsfeuerwehr gearbeitet. Irgendwann im Laufe der üblichen Dienstbesprechungen wurde sie dann geboren, die Idee einer zusätzlichen Freiwilligen Feuerwehr in Berlin. Allerdings keine, die spontan zu einem Brand gerufen wird und mit vollbesetztem Löschfahrzeug ausrückt. Führungsunterstützung nennt sich das, was Wehrleiter Rak und seine Mitstreiter machen. Sie wollen Hilfestellung leisten, wenn es um die Beurteilung der Lage und der Koordination der Einsatzkräfte geht. Damit füllen sie eine Lücke aus, die von der Berufswehr aus Personalgründen offen gelassen werden muss. „Stellen Sie sich zwei große Einsatzlagen parallel vor. Christopher Street Day und ein Großbrand etwa. Dann kann die Berufsfeuerwehr eine Einsatzstelle hervorragend bedienen, bei der anderen müsste bezüglich der Einsatzleitung schon ein Kompromiss gefunden werden.“
Das Gebäude
hat eine bewegte Geschichte
Zunächst ging das Quintett, alles erfahrene Feuerwehrleute, intern mit der Idee hausieren. Mit Erfolg. Auch der Landesbranddirektor und schließlich die Senatsverwaltung für Inneres und Sport waren angetan und so galt es schnell, die benötigten Räumlichkeiten zu finden. Eigentlich hätten Rak & Co die Wache im Nikolaus-Groß-Weg, Nähe Jakob-Kaiser-Platz präferiert. „Eine sehr große Dienststelle, mit Fernmelde-Einsatzdienst, Stabsraum der Berufsfeuerwehr und Einsatzwagen. Das hätte sich hervorragend mit unserem Aufgabenfeld gedeckt“, sagt Rak. „Leider war kein Platz für uns.“ Schnell fiel dann der Blick auf die Wache in der Paulsternstraße 34. Dort war einst eine Freiwillige Feuerwehr stationiert, nachdem das benachbarte Unternehmen Siemens das von ihm im Jahr 1995 für die Werkfeuerwehr errichtete Haus aufgab, aber sich so ganz ohne Brandschutz auch nicht wohlfühlte. Ein Löschfahrzeug gab es schon ein paar Jahre nicht mehr, zwischenzeitlich war ein Notarzt-Einsatzfahrzeug stationiert – bis heute warten nur noch ein Rettungswagen des Deutschen Roten Kreuzes und ein Kleineinsatzfahrzeug der Berufsfeuerwehr auf ihre Einsätze – Jede Menge Platz also für die neue Freiwillige Feuerwehr Charlottenburg-Nord.
Mobiliar
kam von einem Energieversorger
Tische, Stühle und weitere Möbel stammen aus dem Nachlass eines Energieversorgers, der umzog und sein Interieur karitativen Einrichtungen, der Polizei und der Feuerwehr gegen Abholung anbot, die Technik und IT bestellte Wehrleiter Sebastian Rak über das Intranet. „Das geht bei der Berliner Feuerwehr wirklich sehr problemlos über die Bühne.“ Und jetzt gibt es auf der Rettungswache Siemensstadt einen schmucken Besprechungs- und Schulungsraum, genügend Platz zum Üben, Umkleide und eine Einsatzzentrale.
Feierlich wiedereröffnet wurden die Räumlichkeiten am 3. März dieses Jahres, Andreas Geisel, Senator für Inneres und Sport und Bürgermeister Reinhard Naumann (beide SPD) machten ihre Aufwartung und teilten ausdrücklich ihre Freude über die Verstärkung.
Rasanter Personalzuwachs
Wie interessant die Führungsunterstützungsarbeit ist, zeigt auch der schnelle Personalzuwachs: „Mittlerweile sind wir 19 Leute, zähle ich die aktuellen Bewerbungen hinzu, sind es schon 28“, sagt Rak. Zu pass kam dem Wehrleiter dabei eine Änderung des Feuerwehrgesetzes vor zwei Jahren: Feuerwehrmänner in spe müssen nicht mehr zwingend atemschutztauglich sein. „Weil bei uns der Brandschutz nicht im Vordergrund steht, konnten wir so beispielsweise einen erfahrenen Kameraden an Bord holen, der unter Asthma leidet.“
Noch in diesem Jahr soll die strategische Truppe auch mobil werden. Anlässlich des Attentats vom Breitscheidplatz schnürte der Senat ein Sicherheitspaket, zu dem auch drei große Einsatzleitfahrzeuge zählen. „Eines davon sollen wir bekommen“, sagt der Wehrleiter, der mittlerweile nicht mehr bei der Berufsfeuerwehr, sondern in der Luftrettung sein Geld verdient. Bei der Entschärfung der Fliegerbombe am Berliner Hauptbahnhof im April und beim Christopher Street Day waren die Dienste der Belegschaft bereits gefragt. Jeden Montagabend trifft sie sich auf der Rettungswache Siemensstadt, dazu jeden zweiten Samstag im Monat. Da bereitet sie sich vor, in Theorie und Praxis, und auch das grundlegende Handwerk und Wissen eines Feuerwehrmannes wird aufgefrischt. Wenn also demnächst große Ereignisse eintreten – Großbrände, Hochwasser, Großveranstaltungen –, bei denen 60 bis 100 Feuerwehrleute und 30 Einsatzfahrzeuge koordiniert werden müssen, dann treten sie auf den Plan, die Führungsunterstützer aus Charlottenburg-Nord. Beruhigend zu wissen. Auch einen Lagerraum haben sich die Feuerwehrler eingerichtet.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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